Limit - the best crags in Tirol

102 | Pitztal | Watzespitze ROCK & ICE Eines muss man wissen, wenn man als Alpinist im Oberland unterwegs ist: An der Watzespitze und ihrer majestätischen Eleganz kommt man nicht vorbei. Sie ist mit einer Höhe von 3.533 m nicht nur unübersehbar, sondern zugleich auch der größte Felsklotz in diesem Heft. Wer also hoch hinaus will, muss ins hinterste Pitztal. Watzespitze Feuertaufe Nach dem geglückten Durchstieg der schwierigsten Seillänge der »Early Morning in the Sun« strahlt Anna kurz vor dem Standplatz. After having climbed the crux of »Early Mor- ning in the Sun« successfully, Anna can’t help but smile just before reaching the belay. chon der bloße Anblick des markanten Doppelgipfels lässt Westalpenflair aufkommen. Die zerrissenen Hängegletscher mit den drohenden Seracs beein- drucken. Die Grate und steilen Wände schüchtern ein. Der Gipfel ist nicht nur der höchste des Kaunergrates, sondern gilt zweifelsohne auch als einer der schwierigsten 3.000er Österreichs. Alle Routen sind ernste alpine Unternehmungen, die den Berg zu den bergsteigerisch spannendsten Zielen östlich der Bernina machen. Selbst die Schweizer Bergführer schätzen den langen Ostgrat auf die Watzespitze als ideale Vorbereitungstour für das Matterhorn und besuchen deshalb gerne die Kauner- grathütte mit ihren Gästen. Im Gegensatz zum Matterhorn ist der Fels an der Watzespitze aber bombenfest und auch die Kauner- grathütte ist kulinarisch nicht mit der Massenabfertigung auf der Schweizer Hörnlihütte zu vergleichen. Das Hüttenteam um Familie Dobler sorgt für einen gemütlichen Aufenthalt, den man am Matterhorn niemals bekommen könnte. Diese heimelige Hüttenat- mosphäre in Kombination mit den schönen Tourenmöglichkeiten führen dazu, dass nicht nur die Schweizer gerne kommen, sondern auch heimische Alpinschulen ihre Kurse dort abhalten. Außerdem sind die Einstiege nur einen Steinwurf von der Hütte entfernt. In drei Minuten erreicht man den Klettergarten und in 15 Minuten die Klettereien an der Ostwand. Inzwischen führt auch der empfoh- lene Normalweg auf den Gipfel durch die Ostwand oder genauer gesagt über den Ostgrat. Schuld daran ist der Klimawandel. Nirgends sieht man die Erderwärmung so deutlich voranschreiten wie an den schmelzenden Gletschern. So hat sich die Masse des Watzeferners seit den 1970er Jahren um ein Drittel verringert. Die Folge: Der alte Normalanstieg auf die Watzespitze über den Glet- scher ist nicht mehr zu empfehlen, weil der Bergschrund größer wird und die Felsen ausapern. Das Resultat ist überall zu hören: Felsbrocken donnern ins Tal. Auch in der Route »Early Morning in the Sun«, die bei Anna und Martin heute am Programm steht, untermalt die rumorende Geräuschkulisse im Hintergrund das Kletterabenteuer. Doch in der Route selbst ist der Fels kompakt. Im festen Urgestein geht es Richtung Gipfel. Das Panorama von dort ist das eindrucksvollste, das wir in diesem Heft anbieten kön- nen. Die Eisriesen der Ötztaler Alpen liegen vor den beiden und im Westen drängt sich mit dem Piz Bernina ein 4.000er ins Blickfeld. »Die Gletscher sind das Fieberthermometer der Erde«, meint Anna traurig, als sie vom Gipfel auf den immer kleiner werdenden Watzeferner hinunterblickt. Dann schweift ihr Blick auf die andere Seite ins Kaunertal und ihre Stimme wird wieder euphorisch: »Dort drüben am Schweikert kann man auch klettern«, sagt sie zu ihrem Kletterpartner. Doch das ist ein anderes Kapitel. S

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