Limit - the best crags in Tirol

32 Gerhard Hörhager Der Erschließer Urgestein, lebende Legende, Visionär. Die Synonyme, die man dem Namen Gerhard Hörhager in Bezug auf das Klettern in Tirol verpassen kann, sind zahlreich. Berechtigt ist jedes einzelne davon, auch wenn ihm selbst ein solches aus Gründen der Bescheidenheit nie und nimmer über die Lippen gehen würde. Gerhard Hörha- ger liebt das Klettern nicht nur, er lebt es auch. Und das seit 35 Jahren. Ohne ihn, seine Leidenschaft, sein G’spür und seine Hingabe, wäre das Klettern in Tirol nicht das Klettern in Tirol, wie wir es kennen und schätzen. Als Kind bergbegeisterter Eltern könnte man durchaus meinen, dass dir das Klet- tern in die Wiege gelegt worden ist. Stimmt, Klettern war in meiner Familie schon immer ein großes Thema. Vielleicht wollte ich mich deswegen auch nicht sofort darauf einlassen. Wie kam es dann dazu? Mit 14 hab ich im Ginzlinger Wald ein paar Hip- pies aus Mayrhofen getroffen, die dort auf den Felsen rumgeklettert sind. Diese Leute waren einfach ein ganz neuer Input für mich. Die wa- ren weltoffen, hörten andere Musik, als ich sie kannte, und hatten einen total anderen Lebens- stil. Das hat mich fasziniert. Bei einem Kollegen ist mir dann kurz darauf das Magazin »Boulder« in die Hände gefallen. Auf der Titelseite war der langhaarige Kurt Albert in der Route »Sautanz« voll am moven, und das hat so geil ausgesehen, da hab ich mir gedacht: Das ist Klettern, das ist Freiheit, das will ich machen! Die meisten bringen mit dir Sportklettern in Verbindung, aber eigentlich liegen dei- ne Wurzeln ja im Alpinen. Das Alpinklettern hat mir immer getaugt und ich hab mich im typischen Gelände voll wohl gefühlt, weil wir ja immer in dem Zeug rumge- klettert sind. Aber dann bin ich auf Leute wie Tony Yaniro und Wolfgang Güllich gestoßen, die trainiert haben, schwer geklettert sind und einen coolen Lebensstil gepflogen haben. Das war einfach mehr meins. Das Zillertal ist unter deiner Regie bald zu einem Spot mit vielen Benchmark-Touren geworden. Das Zillertal ist vom Klettercharakter her eher boulderlastig. Die Grade sind vielleicht nicht so weit oben, aber dafür waren und sind die Stellen wirklich hart. Zum Beispiel »Graceland« (8b) aus dem Jahr 1986 – das hat eine brutale Einzelstelle. Woher kam die Inspiration dafür, so etwas Schweres einzubohren? Ich bin oft in Buoux gewesen und hab dort einmal Eric Talmadge und Philippe Steulet getroffen. Einen Monat lang sind wir alles geklettert, was uns unter die Finger gekom- men ist. Wieder zu Hause dachte ich mir, dass wir ja auch das Potenzial für Schweres haben müssten. An der Geisterschmiedwand habe ich es dann gefunden und die erste 8c in Ös- terreich, »Wagnis Orange«, erstbegangen. Wie war die Tiroler Szene damals? Klein und übersichtlich, jeder kannte jeden. Von den Gebieten her gab’s Sparchen, das Dschungel- buch, den Höttinger Steinbruch und das Zillertal. homogene Routen gefragt, in denen man Aus- dauer trainieren konnte, und da hat man sie sich einfach gebaut. So ist das entstanden. Wie siehst du das heute? Heute habe ich eine ganz klare Linie, was Kunstgriffe betrifft: Das Niveau ist so hoch, dass man mit Griffeschlagen die Projekte der Zukunft ruiniert. Guter Fels ist nicht endlos vorhanden. Du hast einen Haufen Touren erstbegan- gen. Gibt es so etwas wie eine »wichtigs- te« Route? Die Wichtigkeit hat sich bei mir immer aus einer persönlichen Entwicklung, nicht aus einer neuen Schwierigkeit heraus, ergeben. »Sagaro« (8b) Ende der 80er zum Beispiel. Da bin ich gerade mit vielen neuen Inputs aus Australien zurückgekommen. Ende der 90er bin ich einige Jahre nicht geklettert und wollte auswandern. In den USA habe ich dann wieder angefangen, weil mich »Midnight Lightning« im Yosemite so inspiriert hat. In dieser Comeback-Phase waren für mich die Schwarze Wand im Zillertal und dort »The Source« (8c+) sehr wichtig. Du kletterst seit 35 Jahren. Was fasziniert dich immer noch daran? Klettern ist einfach mein Leben! Ich werd’ jetzt bald 50 und irgendwann hinterfragt man es nicht mehr. Klettern ist ein Teil von mir, das hab ich in jeder Zelle drinnen. Was hat sich deiner Meinung nach verän- dert? Für mich ist Klettern gleich wie damals – der Geist, der es so großartig macht, ist immer noch da. Wie würdest du diesen charakterisieren? Im Grunde genommen ist das Kletterleben ein simples Leben: Du bist mit dem konfrontiert, was du dir auferlegst. Der Output hängt von deinem kreativen Input ab. Nichts geht von selbst, es geht um dich. Klettern hält dir den Spiegel vor, und wenn du das ambitioniert machen willst, dann musst du dabei bleiben. Klettern ist »character-building« – du bist im- mer von Neuem gefordert, du lernst nie aus. Was, keinen Schleier Wasserfall? Geisterschmiedwand und Schleier kamen ein wenig später. An meinen ersten Ausflug an den Schleier kann ich mich noch gut erinnern. Ich bin mit dem Nikolic Fred, dem Erstbegeher der »White Winds« (8a+), mit dem Auto rauf- gefahren. Ich habe einen Hund dabei gehabt, und der hat wegen Freds sportlichem Fahrstil das Auto vollgekotzt. Obwohl es damals am Schleier nur die »Number One«, »Aqualung« und »White Winds« gab, war ich ziemlich be- eindruckt. Aber wir dachten uns, der Zustieg ist so weit, da wird nie einer raufgehen. Mittler- weile ist der Schleier der Schleier. Damals ist Tirol ja auch mit einem »dunk- len« Kapitel der Klettergeschichte, künst- lich modellierten Griffen, in Berührung gekommen. Dieser »Trend« ist aus Frankreich gekommen und das war damals gar nicht so abartig. Im Superklassiker »La Rose et le Vampir« in Buoux wäre ich nicht einmal auf die Idee gekommen, dass da künstliche Griffe drinnen sind. Das wa- ren ja durchaus coole Touren, also wieso nicht? Durch die aufkommenden Wettkämpfe waren “ Klettern ist ein Teil von mir, das hab ich in jeder Zelle drinnen. “ | Portrait | Gerhard Hörhager

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