Klettergärten bohren sich nicht von alleine: Welcher Aufwand steckt eigentlich hinter der Einrichtung und Instandhaltung von Klettergärten? Und wer kümmert sich um diese Baustellen am Berg? Unterwegs mit Helm, Hammer und Bohrmaschine.
Wenn wir ehrlich sind, ist es doch meistens so: Man kommt mit guten Freundinnen und Freunden an einen Klettergarten, redet vergnügt, steigt in die erste Route ein, klippt den Standkarabiner, seilt wieder ab, alles gut. Selten fragt man sich, wie die Haken, die man da so bedenkenlos einhängt, denn eigentlich in den Fels kommen, vertraut ihnen blind. Doch die Natur ist keine Kletterhalle: Gerade über den Winter, mit extremen Temperaturschwankungen über die Jahreszeiten, mit dem Niederschlag, mit Wind … ein Gebirge ist im ständigen Wandel.
Die Qualitätsstandards, die sich das Climbers Paradise Tirol gesetzt hat, sind wohl einzigartig in den Alpen. Aber ein Klettergarten muss eben nicht nur einmal eingebohrt werden, er muss auch kontinuierlich gewartet und betreut werden. Wir sind heute mit einem unterwegs, der dies beruflich macht: Mit Bergführer Martin Gstrein aus Karres, spezialisiert auf Felsräumungen und Instandhaltung von Klettergärten und Klettersteigen.
Heute sein Arbeitsplatz: Die Rote Wand direkt über seinem Heimatdorf im Tiroler Oberland, ein Klettergarten mit vielen Routen in moderaten Schwierigkeiten und idyllischer Lage, den er natürlich von klein auf kennt wie seine Westentasche. Auf den hohen Bergen im Hintergrund liegt noch der Schnee, trotzdem kann man hier wegen der sonnigen Ausrichtung bereits bequem im T-Shirt klettern. Heute soll der Klettergarten Karres / Rote Wand nach einem langen Winter wieder fit für die Saison gemacht werden. Damit die Bohrhaken tatsächlich bedenkenlos geklippt werden können.
Der Weg zur Wand
Statt einem Wanderstock hat Martin Gstrein einen groben Rechen in der Hand. Schon am Zustieg beginnt die Arbeit, viele Steine sind über den Winter auf dem schmalen Zustiegsweg liegen geblieben, die gehören weg. Ein erstes Zeichen, dass in dem Kalkriegel über Karres nicht alles ganz fest zu sein scheint.
Am eigentlichen Klettergarten angekommen, spannt Martin als erstes ein rot-weißes Absperrband, wie man es von Baustellen kennt, zwischen einem Bohrhaken und einer kleinen Pinie. „Heute leider gesperrt“, heißt es, denn eine Baustelle, die wird es heute hier geben.
Dann wird aber erstmal das Seil ausgepackt und der Klettergurt angelegt: Beurteilung der Lage, oder besser gesagt, der Routen. Dabei bekommt man schon eine Ahnung, warum ein guter Klettergartensanierer auch ein guter Kletterer sein sollte: Er muss nämlich erstmal raufkommen bis zum Standplatz, er muss ein Gefühl für das Gebiet und den Felsen haben.
An Martins Klettergurt hängt heute aber deutlich mehr als nur die Expressschlingen, die man normal für das Sportklettern hier braucht: Hammer, Bohrmaschine, Flex, Schraubenschlüssel. Ein Bauarbeiter der Vertikalen.
Der Standplatz muss passen
Ein ganz wichtiges Element ist der Standplatz selbst: Ganz oben angekommen hängt man als Kletterer das Seil ein, um sich anschließend wieder zurück auf den Boden abzulassen. Hierfür gibt es weltweit viele Systeme, der Goldstandard sind aber zwei Bohrhaken, verbunden mit einer Kette. Dann muss das Seil entweder durch einen Ring gefädelt werden, oder wie im Climbers Paradise Tirol mittlerweile Standard: Bequem in einen Karabiner geklippt werden.
„Je nachdem, wie frequentiert eine Route ist, nützt sich so ein Karabiner allerdings auch durch die Seilreibung mit der Zeit ab. Es entsteht so eine typische Kerbe an der Unterseite. Wenn diese Kerbe allerdings zu tief wird, kann es gefährlich werden: Die Kanten werden immer schärfer und können im Extremfall das Seil beschädigen“, erklärt Martin. Deshalb ist ein ganz wichtiger Auftrag für den Erhalter der Klettergärten, die Standplätze zu überprüfen. Und, wie heute, die Standplatzkarabiner wenn nötig auszutauschen.
Martin entfernt dafür den alten, verschlissenen Karabiner und holt einen nagelneuen Edelstahlkarabiner der Tiroler Firma AUSTRIALPIN aus dem Rucksack, türkiser Schnapper. Die Öffnung kommt immer nach vorne, und damit sich der Karabiner nicht verdreht, schlägt Martin mit dem Hammer noch einen Sicherungsstift hinein. „Sodala, somit ist der Stand wieder für die nächsten zwei, drei Jahre – je nachdem, wie viel die Route geklettert wird – im perfekten Zustand“, sagt Martin stolz.
Laut wird es, wenn gleich der ganze Standplatz getauscht wird: Fast wie in Butter fährt die Hilti in das Kalkgestein, kurz das Loch vom Bohrstaub befreien, Anker rein, Lasche drauf, andrehen, fertig. „Da kannst jetzt schon fast ein Auto dranhängen“, schmunzelt Martin. Wichtig auch die Position des Standplatzes: Einerseits muss der Fels selbst natürlich grundsolide sein, dafür klopft Martin mit einem Hammer sachte den Fels an mehreren Stellen ab.
„Man hört schon deutlich ein Singen, da weiß man, dass der Fels in Ordnung ist. Wenn es aber hol klingt, darf man an dieser Stelle nicht bohren“, weiß Martin aus langer Erfahrung. Andererseits ist es auch optimal, den Stand hinter einem kleinen Bauch anzubringen, damit er vor Steinschlag besser geschützt ist. Und Aufgeräumt wird danach auch noch, mit einer Bürste entfernt Martin den Bohrstaub.
Glänzende Haken, wer zahlt die eigentlich?
Ist der Standplatz erledigt, seilt sich Martin von Haken zu Haken und überprüft jeden einzelnen. Zieht hier mal eine Mutter fest, klopft mit dem Schraubenschlüssel den Fels auf seine Festigkeit ab. Und dann: Neue Route, neues Spiel!
Man bekommt schon nach einer Route eine Ahnung, dass das ein arbeitsintensiver Tag wird. Fast 120 Routen gibt es in der Roten Wand ober Karres, und jede Route hat, je nach Länge, zehn oder mehr Bohrhaken. Zusammengenommen ein riesiger Haufen Material, das in der Wand steckt und gepflegt werden muss. Da stellt sich die Frage: Wer zahlt das eigentlich alles?
Oft entstehen Klettergärten durch motivierte Locals quasi organisch, das Material wird aus der eigenen Tasche finanziert. In den offiziellen Climbers Paradise Tirol Klettergärten allerdings gibt es immer einen klar definierten Erhalter, der sich in regelmäßigen Abständen um die Wartung kümmert. Beauftragt und finanziert wird dieser von entsprechenden Tourismusverband, im Falle von Karres ist das der TVB Imst. Und einen hohen Materialstandard aufrecht zu erhalten kostet natürlich: „Ein Stand mit Karabiner ungefähr 30 Euro, ein Haken mit Anker um die drei Euro, da kommt schon was z’amm“, sagt Martin.
Als das Tagesprogramm fertig ist, lässt es sich Martin nicht nehmen, die Routen mit den neuen, glänzenden Bohrhaken auch gleich selbst zu testen. Dafür können endlich die ganzen Werkzeuge abgelegt und ein normaler Klettergurt angezogen werden. Mit neuer Leichtigkeit klettert Martin zum Tagesabschluss ein paar genussvolle Routen im sechsten Schwierigkeitsgrad, „wenn ma scho mal da is“, hoch über dem Kirchturm von Karres. Und sehnt danach schon der Dusche entgegen, er ist von oben bis unten mit einer Staubschicht bedeckt.
Am Rückweg nimmt er sein rotes Absperrband wieder mit, Arbeit erledigt. Damit die nächsten Kletterer kommen können und völlig ohne einen Gedanken an die Sicherheit einfach nur eines tun: Bedenkenlos klettern und einen tollen Tag an der frischen Luft erleben.
Der Verein Climbers Paradise Tirol verpflichtet sich der Qualitätssicherung der Kletterinfrastruktur in allen 15 Regionen und in über 130 Sportklettergärten. Wenn dann doch mal was nicht passt, gibt es auf der Website des Climbers Paradise Tirol eine zentrale Gefahrenmeldestelle, über die jeder einen Schaden melden kann.
5 Fragen an Bergführer Martin Gstrein
- Braucht es eine spezielle Ausbildung für die Wartung von KG?
Nein, aber ein Bohrkurs sollte auf jeden Fall besucht werden, Climberes Paradise organisiert für uns hochqualitative interne Fortbildungen, bei denen wir immer viel mitnehmen. Im „Handbuch Klettergarten“, das 2019 überarbeitet und neu aufgelegt wurde, sind die Qualitätsstandards für Klettergärten und Bouldergebiete genau beschrieben.
Für Interessierte gibt es auch über den Alpenverein oder über private Anbieter Einbohr-Angebote.
- Wie wird man Klettergarten-Warter im Climbers Paradise?
In meinem Fall ist der Tourismusverband auf mich zugekommen, weil sie um meine Expertise und Ortskenntnisse wussten. Interessent:innen können aber auch von sich aus auf den zuständigen TVB zukommen und einfach anfragen.
- Welche Eigenschaften sind wichtig?
Gewissenhaftes und sauberes Arbeiten. Ein tiefes Verständnis, um Gefahrenquellen wie loses Gestein oder Bäume zu erkennen und zu beseitigen. Ein Nachhaltiger Umgang mit der Natur.
- Wie oft wird ein Klettergarten in Tirol gewartet?
Im Fall von Karres ist das zwei Mal jährlich. Das kann sich aber je nach Klettergarten ein wenig unterscheiden, mindestens jedoch einmal jährlich.
- Vom Material her, was ist wichtig?
Nur geprüftes und zertifiziertes Material verwenden wie zum Beispiel vom Climbers Paradise Partner AUSTRIALPIN.
Peter Manhartsberger, Qualitätsmanager vom Climbers Paradise Tirol Partner AUSTRIALPIN meint dazu: „Unser höchstes Gut ist die Qualität unserer Produkte. Die hat man nur in der Hand, wenn man sie auch komplett selber fertigt. Daher werden alle Metallprodukte von der Entwicklung, über die Werkzeuge bis zur Serienfertigung und Qualitätssicherung bei uns selbst im Haus gemacht. Wir setzen auf Qualität made in Austria!“
Link Tipps von unserem Autor Simon Schöpf zum Thema:
- Standards beim Einbohren: https://www.alpenverein.at/portal/berg-aktiv/sportklettern/sicherheit/einbohren/normen.php
- Übersicht Bohrmaterial AUSTRIALPIN: https://www.austrialpin.at/produkte/anschlagmittel-bohrmaterial-eisschrauben/