Lange galt das Bergführen als Männerberuf – doch wie sieht das heute aus?
Derzeit sind nur 1,9 Prozent aller österreichischen BergführerInnen Frauen. Die gute Nachricht: Es werden immer mehr! Aktuell sind gleich sechs Frauen in der Bergführerausbildung – so viele wie noch nie. Damit werden sie die niedrige Frauenquote dann zumindest ein kleines bisschen nach oben treiben. Sofia und Susi gehören zu diesen wichtigen Frauen in der Bergführerausbildung. Sie haben mit uns über das Frausein in dem Beruf gesprochen.
Bergsport gilt seit jeher als eher männliches Terrain. War an den Stellschrauben früher für Frauen aber kaum zu drehen, hat sich vieles zugunsten weiblicher Akteurinnen verändert. Frauen besteigen Achttausender, machen Erstbegehungen in alpinen Gebieten – ganz zu schweigen von den weiblichen Höchstleistungen im Sportklettern. Frauen sind heutzutage mutiger, positiver und vor allem emanzipierter als je zuvor.
Dennoch: Es gibt Bereiche, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Das betrifft einzelne Disziplinen wie das Eisklettern oder das alpine Klettern, aber auch verschiedene Arbeitsbereiche.
Niedrige Frauenquote im Österreichischen Bergführerverband
Unter anderem herrscht das Phänomen der niedrigen Frauenquote auch im Österreichischen Bergführerverband. Von insgesamt 1523 Bergführern und Bergführerinnen sind lediglich 35 Frauen. Von diesem stark verbesserungswürdigen 2,3-prozentigen Frauenanteil sind aktuell sechs Damen in Ausbildung (Stand 2021). Ohne sie sinkt der Frauenanteil auf 1,9 Prozent. Die gute Nachricht: Aktuell sind mehr Frauen im Ausbildungslehrgang als je zuvor. Diese tolle Entwicklung zeigt deutlich, dass Frauen sich immer häufiger zutrauen, diesen doch sehr männerdominierten Beruf zu ergreifen.
Wieso aber steht hier das Wörtchen „zutrauen“?
Am Ende sind es viele Faktoren, die den Einstieg in das „Bergführerdasein“ für Frauen schwierig und unattraktiv erscheinen lassen.
Allem voran sind es wohl die tradierten Stereotype, die sowohl mit dem Beruf als auch mit dem Rollenverständnis von Frauen und Männern in Verbindung stehen. Damit einher geht der erschwerte Zugang für Frauen zu manchen Disziplinen der Ausbildung.
Trotzdem haben mittlerweile viele Frauen im ganzen Alpenraum den schwierigen Grundvoraussetzungen getrotzt und sich ihren Traum vom Arbeiten in den Bergen erfüllt. Sie alle helfen mit, den „Bergsport-Gendergap“ zu verringern. So auch Sofia und Susi. Mit ihnen haben wir über ihr Dasein in dieser männerdominierten Berufsgruppe gesprochen.
Interview mit Sofia Muigg, Bergführer-Aspirantin
Warum willst du Bergführerin werden?
Es gibt nicht den einen Grund, warum ich die Ausbildung zur Bergführerin mache. Ich habe zuvor die Ausbildung zur Krankenschwester gemacht und in diesem Job gearbeitet, bevor ich einen Bachelor in Gesundheits- & Leistungssport, die Ausbildung zur Trainingstherapeutin und Ausbildungen im Bereich Sportklettern absolviert habe.
Durch die Bergführerausbildung sehe ich die Möglichkeit, die bisherigen Tätigkeiten vielfältiger zu gestalten. Ich stelle mir mein Bergführen als eine Art therapeutisch und trainingswissenschaftlich angehauchtes Bergführen vor.
Wolltest du immer schon Bergführerin werden?
Gar nicht! Mir hat als Kind komplett der Zugang zu diesen Sportarten gefehlt. Im Grunde war es der pure Zufall, dass ich in meinem Studium mit dem Sportklettern begonnen habe und ich zu den alpinistischen Disziplinen gefunden habe.
Lange war das Bergführen Männern vorbehalten. Empfindest du den Beruf als Männerberuf?
Für mich ist das Bergführen ganz klar ein Männerberuf.
Die Erklärung hierfür findet sich vor allem in kulturell geprägten Rollenbildern wieder. Es gab früher kaum Frauen am Berg, und wenn, dann wurden ihre Leistungen nie respektiert.
Zwar haben Frauen gewisse Nachteile in dem Beruf, z.B. hinsichtlich absoluter Kraft, sie bringen dafür aber viele vorteilhafte Qualitäten mit, wie Empathie oder Kommunikationsvermögen. Das sind einerseits meine Erfahrungen, aber es klingt auch sehr nach Schubladendenken. Es ist gar nicht so einfach, nicht in diese Falle zu tappen.
Im Moment sehe ich eine massive Entwicklung in der Generation nach mir, was den „weiblichen“ Alpinismus angeht. Frauen sind viel selbstbewusster, emanzipierter und selbstwirksamer geworden. Es tut sich gerade sehr viel. Ein bisschen fürchte ich, dass es vielleicht am Anfang im Konkurrenzkampf zwischen Männern und Frauen endet, anstelle eines Miteinanders, was daran liegen könnte, dass Frauen das Gefühl haben, sich noch mehr beweisen zu müssen. Das wäre schade.
Du kommst aus Tirol und bist hier groß geworden. Was sind die Vorteile, als Bergsportlerin hier zu leben?
Tirol ist super für Bergsportler. Alles ist nah und zugänglich. Hütten, Wege und Berge sind erschlossen, man muss also nie drei Tage mit dem Zelt irgendwo hinmarschieren, um auf einen Gipfel zu kommen. Tirols Tourismus ist sanft und bietet gleichzeitig sehr viele Abenteuer, wenn man das sucht.
Ein anderer großer Vorteil ist die Community. Es ist sehr viel leichter, in den Bergsport hineinzufinden, denn es gibt für alles die richtige Gruppe. Natürlich erhöht sich dadurch auch die Konkurrenz. Wenn viele (gute) Leute auf so engem Raum sitzen, wird der Ellbogenkampf deutlich stärker. Auch die Ruhe vermisse ich teilweise, je nachdem, wo man hingeht, ist viel los.
Hast du das Gefühl, dass du als Frau anders behandelt wirst im Beruf?
Ich bin im ersten Ausbildungsjahr und hab schon das Gefühl, dass man als Frau etwas mehr Aufmerksamkeit bekommt. Vielleicht bildet man sich das auch nur ein, weil man als Frau in einem Männerberuf sicher kritischer mit sich selber ist. Man möchte auf keinen Fall negativ auffallen. Seitens der Kollegen in der Ausbildung und den Ausbildnern habe ich bisher nur positive Erfahrungen gemacht.
Wie andere auf einen reagieren, ist aber auf jeden Fall Typsache. Ein wichtiger Bestandteil dabei ist die Art der Kommunikation und wie man auf verschiedene Situationen reagiert. Am Ende ist das Miteinander am wichtigsten und diese Komponente macht es gleichgültig, ob man Frau ist oder Mann.
Interview mit Susi Süßmeier, Bergführer-Aspirantin
Warum arbeiten so wenig Frauen als Bergführerin?
Das erkläre ich mir anhand dreier Gründe:
Erstens: Mädchen trauen sich ganz oft Sachen nicht zu. Das bedingt den zweiten Grund, dass es deutlich weniger Frauen gibt, die so ambitioniert beim Bergsteigen sind, dass sie die Voraussetzungen für den Bergführer erfüllen bzw. die Ausbildung machen wollen. Es absolviert ja auch nicht jeder bergsteigende Junge/ Mann die Ausbildung.
Punkt drei: Häufig beginnt man zwischen Mitte 20 bis Mitte 30 die Ausbildung, die Jahre davor sind von viel Bergsteigen geprägt. In diesem Alter wird dann aber auch Familienplanung ein wichtiges Thema, vor allem für Frauen, und so kommen sicher einige von der Idee ab, die Ausbildung zu absolvieren.
Ist das Bergführen für Männer leichter?
Die Berge sind für alle gleich! Der Beruf erfordert jenes Können, welches der Berg erfordert.
Zum Glück ist der Beruf sehr vielfältig, sodass jeder und jede eine Nische findet, in der man gut ist und man sich wohl fühlt.
Siehst du dich als Vorbild für andere Frauen?
Ich finde es gut, dass es viele Frauen gibt, die als Vorbild vorausgehen. Es gibt super Alpinistinnen, Eis- und Alpinkletterinnen, die ihre Leistungen auf Social Media publizieren. Das ist wichtig, denn dadurch ist es normal geworden, dass Frau in den einzigen Männerdisziplinen zu sehen sind. Das erhöht die Motivation, selbst Gas zu geben, denn Mädels sind die besten Vorbilder für andere Mädels.
Was würdest du anderen Frauen mit auf den Weg geben?
Mach es einfach! Wenn du führen willst, geh hinaus, sammle die Erfahrung und mach die Ausbildung! Tipp: Geh am besten mit anderen Frauen auf den Weg. Das pusht doppelt und die Frage kommt gar nicht erst auf, ob das Mädchen es kann. Es ist so ein schöner Beruf mit so vielen Facetten, es lohnt sich, dieses Ziel zu verfolgen!
Climbers Paradise Tirol
Dank und Respekt gebührt sowohl Sofia und Susi als auch allen anderen Frauen und Mädels, die als Vorbilder vorausgehen, inspirieren, Hürden abbauen und dafür sorgen, dass die Bergsportgemeinschaft mit jeder neuen Bergführerin und auch Bergsportlerin ein Stück egalitärer wird. Volle Frauenpower voraus!