Markus Bendler, Profikletterer und zweifacher Eiskletter-Weltmeister, betreibt in Kirchdorf in Tirol das Bergsportgeschäft Rock’n’Roll Mountain Store. Was sein Erfolgsgeheimnis ist, wie sich Schwerpunkte verlagern und dass es durchaus Parallelen zwischen Sport und Geschäft gibt, hat Stephan Mitter im Gespräch mit Markus Bendler herausgefunden.
Interview: Stephan Mitter, Text: Christina Schwann
Markus Bendler, geboren 1984, ist aufgewachsen und immer noch wohnhaft in Schwendt im Tiroler Unterland. Vor ziemlich genau 25 Jahren ist er zum Klettern gekommen, was wohl – aufgrund der Familienhistorie und dem täglichen Blick auf die Nordseite des Wilden Kaisern – keine große Überraschung war. Die Brüder des Vaters waren allesamt passionierte Bergsteiger oder Kletterer und mit dem Vater waren er und sein Bruder schon früh auf Wandertouren im Kaiser unterwegs. Speziell die Touren Richtung Stripsenjoch dürften dann für ein Überschwappen der Faszination gesorgt haben.
Mit elf Jahren trat Markus Bendler beim Alpenverein St. Johann der Klettertrainingsgruppe bei. Es folgten beachtliche Erfolge im Felsklettern, im Besonderen im Gebiet Schleierwasserfall, wo Markus Bendler beispielsweise mit nur 15 Jahren als damals jüngster Kletterer die Begehung der Route „Big Foot Man“ im Schwierigkeitsgrad 8b+/c gelang. Im Eis- und Mixedklettern legte er einige Erstbegehungen hin, wie etwa die als schwerste Eistour weltweit gehandelte Tour „Eisbär GI 13“ am Pitztaler Gletscher. Wettkampfmäßig holte er beim Eisklettern nicht nur mehrere Weltcupsiege, sondern auch zweimal, 2007 und 2009, den Weltmeistertitel.
Wie genau sich der Weg zum Eisklettern ebnete und welche Erfahrungen er aus der Profikarriere für seine heutigen Erfolge mit dem Bergsportgeschäft Rock’n’Roll Mountain Store mitnimmt, konnte Stephan Mitter in einem sehr persönlichen Gespräch mit Markus Bendler in Erfahrung bringen.
Stephan Mitter fragt nach
Du hast schon recht früh wettkampfmäßig die Richtung „Eisklettern“ eingeschlagen. Wie ist es dazu gekommen?
Das war damals der Trend. Als ich rund 15 Jahre alt war, war das genau die Zeit, als das Wettkampf-Eisklettern so richtig Fahrt aufgenommen hat. Wir waren damals alle recht fanatische Felskletterer. Ich meine damit, unser Zugang war schon damals: weg vom Wettkampfklettern hin zum Felsklettern – und die nächste Herausforderung im Winter war eben das Eisklettern. Hias Schiestl und Guido Unterwurzacher verfügten zudem über den Zugang in die Eiskletter-Wettkampfszene, sprich zu den ersten Events am Pitztaler Gletscher oder zum Salomonevent, die in dieser Zeit entstanden. Und wir – ja, wir waren „mitgehangen – mitgefangen“.
Fels- bzw. Kunstwandwettkämpfe standen damals nicht am Plan?
Doch auch. Bouldermäßig war ich beispielsweise bei der WM in Chamonix, da war ich allerdings schon 18. Sportkletterwettkämpfe und Eisklettern waren immer parallel. Ausdauermäßig war ich beim Sportklettern weniger gut – Bouldern lag mir mehr. Allerdings muss man auch dazusagen, dass bei uns die Trainingsmöglichkeiten begrenzt waren. Das Tivoli in Innsbruck gab es zwar schon, aber zu dieser Zeit begann ich meine Bäckerlehre und da war es schwierig, am Ball zu bleiben. Anders beim Eisklettern: Da konnte ich mir die Trainingsmöglichkeiten selber schaffen und die Situation war international recht gleich. Das Eisklettern lag mir zudem einfach besser und die Konkurrenz war sicherlich – verglichen mit der großen Masse beim Sportklettern – geringer.
Nach deiner Bäckerlehre hast du den Weg als Profi eingeschlagen?
Na ja, eigentlich war ich immer eher Semiprofi. Nach der Lehre bin ich zum Bundesheer gegangen und dann habe ich ein Jahr in der Backstube gearbeitet. Aber schließlich wollte ich es doch mit der Profikarriere versuchen. Schon nach einem Jahr musste ich allerdings feststellen, dass sich das finanziell nicht ausgeht. So habe ich nebenbei bei einer Kletterwandfirma als selbstständiger Mitarbeiter angefangen zu arbeiten – monatsweise: Im Winter war ich Profi – im Sommer habe ich mir mein Profidasein erarbeitet.
Von deinem Wohnort aus siehst du direkt auf den Kaiser. Waren der Wilde Kaiser und die Steinberge für dich im Sommer auch interessant? Gab es hier Projekte oder Ziele?
Ja, schon. Wir haben das Glück, die für mich besten Klettergebiete Tirols direkt vor der Haustür zu haben – ob das Sportklettern oder Alpinklettern ist –, angefangen mit der Waidringer Steinplatte mit acht Kilometer bestem Verdon-Fels. Der Wilde Kaiser ist historisch vermutlich das bekannteste Klettergebiet Tirols und rundherum mit den Sportklettergebieten wie Schleierwasserfall und den Kufsteiner Klettergebieten haben wir schon recht gute Möglichkeiten.
Wie siehst du Climbers Paradise grundsätzlich? Wann ist dir die Initiative vor Ort aufgefallen?
Anfangs habe ich ehrlicherweise die Plattform kaum wahrgenommen. Erst in letzter Zeit sind mir die Projekte, die Climbers Paradise mitfinanziert, konkret aufgefallen. Die Zusammenarbeit mit den Tourismusverbänden ist ein extremer Segen für das Klettern in Tirol. Je mehr Leute unterwegs sind, desto mehr Probleme poppen auf. Hier braucht es einen Streitschlichter beziehungsweise eine Lobby. Diese steht viel eher hinter den Tourismusverbänden und dem Zusammenschluss Climbers Paradise als hinter einzelnen Kletterern oder Gruppierungen. So gesehen bietet Climbers Paradise eine gute Rückendeckung.
Außerdem profitieren wir Geschäftsbetreiber von der guten Bewerbung und Vermarktung. Die Gebiete, die über Climbers Paradise beworben werden, sind beliebter, werden häufiger frequentiert und sind durch die Topos auch leichter zugänglich. Gleichzeitig werden Konflikte beispielsweise durch die Schaffung von Parkplätzen, Beschilderungen, Müllkübel etc. gelöst. Früher waren wir die eigensinnigen Kletterer, die verbotenerweise irgendwo Haken reingebohrt haben. Mittlerweile hat man erkannt, dass Klettern ein großes touristisches Potenzial hat und wertvoll ist.
In Summe würde ich sagen, es hat – wie überall – Vor- und Nachteile, wobei hier der Nutzen eindeutig überwiegt. Entwicklungen sind ohnehin nicht aufzuhalten. Diese in geordnete Bahnen zu lenken, ist daher sinnvoll und wichtig. Als Kletterer, der ganz gerne mal seine Ruhe hat, muss man sich natürlich gelegentlich andere Ziele suchen, die nicht so stark beworben werden oder schlicht unzugänglich und schwierig sind.
Du hast in der Zwischenzeit auch eine Familie gegründet und Haus gebaut, aber du hast nicht zugenommen. Wie geht das?
Weil ich viel arbeite und wenig Zeit zum Essen habe. Ich bin aber dennoch noch viel unterwegs und klettere quasi „in Wellen“. Früher kletterte ich fünf Tage die Woche und tat kaum etwas anderes. Sicherlich habe ich auch meine anderen Leidenschaften immer ein wenig gepflegt, wie etwa im Winter ein paar Skitouren zu gehen, im Sommer ein wenig mit dem Rad unterwegs zu sein. Mittlerweile hat sich das verlagert: Jetzt habe ich Phasen, da sitze ich fast ausschließlich auf dem Rad – das ist meine zweite Sommerleidenschaft.
Im Winter, wenn der Schnee gut ist, gehe ich heute lieber eine Skitour als mich in den Schatten zu stellen und Eis zu suchen. Wenn die Verhältnisse gut sind, gehe ich natürlich auch gerne Eisklettern, aber ganz generell habe ich gerade im Winter viel Stress im Geschäft, da das mittlerweile unsere Hauptsaison ist. Die Zeit zum Eisklettern ist einfach viel weniger geworden, aber ich versuche dennoch fit zu bleiben. Da durch Corona dieses Jahr die Kletterhallen den ganzen Winter über zu waren, fühle ich mich heuer allerdings so unfit wie überhaupt noch nie.
Was ist das Besondere an deinem Geschäft, dem Rock’n’Roll Mountain Store? Welche Richtung verfolgst du hier? Was ist dein Erfolgsgeheimnis?
Ich glaube, das Erfolgsgeheimnis ist – wie es auch beim Klettern war – ein bisschen Fanatismus und ein wenig Hartnäckigkeit, Ziele konsequent zu verfolgen. Die Einstellung, nicht mit dem zufrieden zu sein, was ist, sondern immer nach vorne zu schauen und zu versuchen, etwas zu verbessern, habe ich aus dem Sport mitgenommen. Wenn ich heute durch das Geschäft gehe, finde ich jeden Tag Dinge, die ich besser machen könnte.
Momentan haben wir das Problem, dass wir wirtschaftlich quasi am Anschlag sind. Wir haben auf die Quadratmeter gerechnet eine sehr erfolgreiche Situation, platzen aber aus allen Nähten. Glücklicherweise gehören wir zu den wenigen Branchen, die trotz Pandemie überdurchschnittlich wachsen. Zudem haben wir, seit es uns gibt, immer den Zeitgeist getroffen. Wir verkaufen nicht nur konservativ Klettern, Wandern und Skitour, sondern schauen auch ein wenig links und rechts. Sehr erfolgreich sind wir mit Radbekleidung. Wir verkaufen genau das, was die Radgeschäfte rundherum nicht anbieten, was uns einen sehr lukrativen Zusatz bringt.
Im Kletterbereich haben wir zusätzlich die größte Auswahl in Tirol – wenn man ganz große Ketten mal unberücksichtigt lässt. Beispielsweise haben wir ein Lager mit über 700 Kletterschuhen. Seit Jahren wird jeder Euro, den wir verdienen, ins Geschäft und in die Lagerfläche reinvestiert. Aus diesem Grund verfügen wir über eine überdurchschnittlich gute Lagersituation. Eines der Erfolgsgeheimnisse ist daher: Wir können liefern. Die Dinge sind zu 95 Prozent da und griffbereit. Ähnlich ist es im Winter im Skitourenbereich: Wir haben jede Bindung, die am Markt ist, und 14 bis 15 Skifirmen, also eine Riesenpalette. Dazu optimieren wir auch Passformen im Schuhbereich.
Das heißt, die spezielle Herausforderung für dich ist zu wissen, was kommt in den nächsten Monaten auf den Markt, um dieses Produkt dann auch gleich zu haben?
Ja, das ist quasi eine eigene Leidenschaft. Wenn irgendetwas auf den Markt kommt, dann möchte ich es probieren. Wenn mich jemand fragt: „Wie funktioniert der Ski?“, dann kann ich ihm das sagen, weil ich ihn gefahren bin, nicht weil ich einen Testbericht gelesen habe. Das gleiche gilt für die Sicherungsgeräte. Das ist es, was die Kunden neben der großen Auswahl sehr schätzen.
Daraus entsteht aber auch ein Konglomerat, das nicht so einfach zu bewältigen ist, wie es klingt. Es gibt auch im Geschäftsleben – gleich wie es damals in der sportlichen Laufbahn war – Nächte, in denen ich nicht so gut schlafe und mir alle möglichen Gedanken mache. Unterm Strich kann man beide Welten ähnlich sehen – in beiden braucht es Leidenschaft und den richtigen Biss.