Eines muss man wissen, wenn man als Alpinist im Oberland unterwegs ist: An der Watzespitze und ihrer majestätischen Eleganz kommt man nicht vorbei. Sie ist mit einer Höhe von 3.533 m nicht nur unübersehbar, sondern zugleich auch der größte Felsklotz in diesem Heft. Wer also hoch hinaus will, muss ins hinterste Pitztal.
Headerbild: Konsumentenfreundlich Martin Lienbacher in der 3. Seillänge der Route „Early Morning in the Sun“. Obwohl sich die Route im wilden, hochalpinen Ambiente befindet, ist die Absicherung glücklicherweise von wild weit entfernt. Erstbegeher Florian Schranz hat die Route so eingebohrt, dass sie für viele gut machbar ist. Im Hintergrund die Kaunergrathütte und die Verpeilspitze, an der man auch klettern kann.
Schon der bloße Anblick des markanten Doppelgipfels lässt Westalpenflair aufkommen. Die zerrissenen Hängegletscher mit den drohenden Seracs beeindrucken.
Die Grate und steilen Wände schüchtern ein.
Der Gipfel ist nicht nur der höchste des Kaunergrates, sondern gilt zweifelsohne auch als einer der schwierigsten Dreitausender Österreichs. Alle Routen sind ernste alpine Unternehmungen, die den Berg zu den bergsteigerisch spannendsten Zielen östlich der Bernina machen. Selbst die Schweizer Bergführer schätzen den langen Ostgrat auf die Watzespitze als ideale Vorbereitungstour für das Matterhorn und besuchen deshalb gerne die Kaunergrathütte mit ihren Gästen.
Im Gegensatz zum Matterhorn ist der Fels an der Watzespitze aber bombenfest und auch die Kaunergrathütte ist kulinarisch nicht mit der Massenabfertigung auf der Schweizer Hörnlihütte zu vergleichen. Das Hüttenteam um Familie Dobler sorgt für einen gemütlichen Aufenthalt, den man am Matterhorn niemals bekommen könnte. Diese heimelige Hüttenatmosphäre in Kombination mit den schönen Tourenmöglichkeiten führen dazu, dass nicht nur die Schweizer gerne kommen, sondern auch heimische Alpinschulen ihre Kurse dort abhalten. Außerdem sind die Einstiege nur einen Steinwurf von der Hütte entfernt. In drei Minuten erreicht man den Klettergarten und in 15 Minuten die Klettereien an der Ostwand. Inzwischen führt auch der empfohlene Normalweg auf den Gipfel durch die Ostwand oder genauer gesagt über den Ostgrat. Schuld daran ist der Klimawandel.
Nirgends sieht man die Erderwärmung so deutlich voranschreiten wie an den schmelzenden Gletschern. So hat sich die Masse des Watzeferners seit den 1970er Jahren um ein Drittel verringert. Die Folge: Der alte Normalanstieg auf die Watzespitze über den Gletscher ist nicht mehr zu empfehlen, weil der Bergschrund größer wird und die Felsen ausapern. Das Resultat ist überall zu hören: Felsbrocken donnern ins Tal. Auch in der Route „Early Morning in the Sun“, die bei Anna und Martin heute am Programm steht, untermalt die rumorende Geräuschkulisse im Hintergrund das Kletterabenteuer. Doch in der Route selbst ist der Fels kompakt.
Im festen Urgestein geht es Richtung Gipfel. Das Panorama von dort ist das eindrucksvollste, das wir in diesem Heft anbieten können.
Die Eisriesen der Ötztaler Alpen liegen vor den beiden und im Westen drängt sich mit dem Piz Bernina ein 4.000er ins Blickfeld.
„Die Gletscher sind das Fieberthermometer der Erde“,
meint Anna traurig, als sie vom Gipfel auf den immer kleiner werdenden Watzeferner hinunterblickt. Dann schweift ihr Blick auf die andere Seite ins Kaunertal und ihre Stimme wird wieder euphorisch: „Dort drüben am Schweikert kann man auch klettern“, sagt sie zu ihrem Kletterpartner. Doch das ist ein anderes Kapitel.
LIMIT #2: Alpinklettern in Tirol – die druckfrische Ausgabe!
In diesem Heft haben wir uns ganz dem Alpinklettern in Tirol gewidmet. Auf 136 Seiten präsentieren wir die beeindruckende vertikale Vielfalt Tirols. Mit spannenden Storys aus 15 Kletterspots, die einen tiefen Einblick in die Geschichte des alpinen Kletterns in Tirol bieten.
- Route und Topo Watzespitze / Route ‚Early morning in the sun‘
- Alle Klettermöglichkeiten der Region Pitztal im Tiroler Oberland
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