Die berühmteste Route im Schüsselkar ist „Locker vom Hocker“. Keine geringeren als Wolfgang Güllich und Kurt Albert haben sie 1981, also vor genau 40 Jahren, erstbegangen.
Sie gilt als Ikone des alpinen Freikletterns. Wie kaum eine andere Tour in den Alpen umgibt sie eine Aura, die ihresgleichen sucht. Wer als Kletterer ernstgenommen werden will, muss sie gemacht haben.
Headerbild: Michael „Much“ Mayr in der 1. Seillänge (8-) von „Locker vom Hocker“. Mit einem einzigen Schlaghaken auf 45 Meter ist sie nicht wirklich übersichert.
Das literarische Genre des Alpenkrimis erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Ein guter Alpenkrimi weist Elemente eines Thrillers auf.
Charakteristisch dafür ist das Erzeugen einer Spannung, die nicht nur für kurze Passagen, sondern während des gesamten Handlungsverlaufes präsent ist. Es ist ein beständiges Spiel zwischen Anspannung und Erleichterung. Vielleicht ist nach dieser Definition „Locker vom Hocker“ der beste Alpenkrimi, der je geschrieben wurde. Die beiden verstorbenen Autoren, Albert und Güllich, wussten ganz genau, wie man einen Spannungsbogen erzeugt, der die Nachwelt noch über Generationen begeistern wird und von zeitloser Qualität ist. Schon der alleinige Anblick der ersten Seillänge lässt selbst den abgebrühtesten Alpinisten das Blut in den Adern gefrieren.
45 Meter zieht die Seillänge steil nach rechts oben. Und mit einem einzigen Schlaghaken kurz vor dem Stand ist sie alles andere als übersichert. Der perfekte Umgang mit mobilen Sicherungsmitteln ist Grundvoraussetzung für eine stressarme Begehung. Stressfrei wird sie wohl trotz bester handwerklicher Fähigkeiten nicht werden. Much Mayr und Peter Mühlburger sortieren ihre Friends. Die Handgriffe sehen routiniert aus. Die beiden kennen sich von den „Jungen Alpinisten“. Das ist ein Programm des Österreichischen Alpenvereins, welches ambitionierten jungen Bergsteigern die Chance bietet, zwei Jahre lang von Weltklassealpinisten zu lernen.
Much ist einer der Mentoren in diesem Programm und Peter war ein Teilnehmer. Gemeinsam waren sie schon auf Expedition im Himalaya. Und obwohl beide weitgereist sind und zwischen den Rocky Mountains und dem Himalaya Gott und die Welt kennen, ist es für die beiden heute eine Premiere in „Locker vom Hocker“.
„Allein die kompromisslose Linienführung ist beeindruckend. Eine Kingline“, meint Peter. „Die beiden waren einfach ihrer Zeit voraus. Zwei Visionäre!“, ergänzt Much.
Much erzählt, dass er als Jugendlicher einen Vortrag von Wolfgang Güllich in Innsbruck gesehen habe und er danach so richtig vom Klettervirus infiziert worden sei. Mit Kurt Albert hat Much sogar in Südfrankreich im Rahmen eines Klettercamps für Jugendliche zusammengearbeitet.
„Der Kurt war einfach ein richtig cooler Typ – eine Persönlichkeit, die man nicht so schnell vergisst.“ Was das Besondere an „Locker vom Hocker“ sei? „Es ist für mich diese persönliche Verbindung zu Kurt Albert und Wolfgang Güllich“, sagt Much.
Peter ist dran mit der vierten Seillänge, der Schlüsselseillänge. Nur über einen Klemmkeil gesichert, macht er sich an die fiese Plattenstelle im achten Schwierigkeitsgrad. Um diese Stelle ranken sich, wie es sich für einen Thriller gehört, unzählige Horrorgeschichten: Hubschraubereinsätze gab es, 20-Meter-Stürze, Verstauchungen, Frakturen. Beim Sturz eines Kletterers an der Stelle wurde der Klemmkeil herausgezupft. Resultat: Sprunggelenksfraktur und schwere Kopfverletzungen. Mit diesem Wissen im Kopf macht sich Peter an die wackelige Reibungspassage. Ein Griff links, der aufgrund seiner bescheidenen Größe genau genommen den Namen Griff nicht verdient. Die Zehenspitzen auf zwei abschüssigen Dellen. Eine falsche Gewichtsverlagerung und du bist weg. Wie ein Scheibenwischer bei Platzregen tastet die rechte Hand den Fels ab. Wo ist er nur der rettende Griff? Gefunden! Geschafft! Alpenkrimi mit Happy End!
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