Italienisches Dolce Vita, skandinavisches Fjord-Ambiente und Kanada-Nationalpark-Feeling – eine Weltreise im Hosentaschenformat.
Tirols größter See liegt langgezogen in einem tiefen Bett und präsentiert sich, je nach Standort und Sichtachse, mitunter wie ein norwegischer Fjord samt tiefblauem Wasser. Steil emporragende Felswände schieben sich Richtung Himmel und der See mutiert dabei zu einem Meeresarm. Ein paar Kilometer weiter präsentiert sich das Gewässer seinem Betrachter türkisfarben und macht so mancher Karibikinsel Konkurrenz. Die Straße nach Pertisau erinnert ein wenig an die „Occidentale“ am Ufer des Gardasees, die bunten Segeltücher der Surfer und Kiter runden das Dolce-Vita-Lago-Feeling perfekt ab.
Wer von Pertisau in Richtung Karwendeltäler wandert und die raue, wilde Berglandschaft auf sich wirken lässt, wähnt sich gar in einem der vielen Nationalparks in Kanada. Lediglich die Bären fehlen, dafür pfeifen, völlig ungefährlich, die Murmeltiere und lecken brave Kuhzungen über unsere salzige Haut. Und zack, schon wird aus dem Tiroler Bergsee eine Weltreise im Hosentaschenformat, nur für den Fall, dass das Fernweh überhandnehmen sollte. Ansonsten: Willkommen in einer der abwechslungsreichsten Regionen Tirols.
Klettern mit Kanadaflair: Das Karwendel
Gleich hinter Pertisau fängt es an, das Kanadafeeling … Wenn sich die drei Karwendeltäler tief in die Bergwelt ziehen, wenn die Gipfel sich mächtig in den Himmel schieben und knorrige Bäume von harten Wintern erzählen. Moderat ansteigend, folgt man dem Weg zur Gramai Alm – was mit dem Rad ein schönes Vergnügen ist, weil dann die Landschaft gemütlich vorbeizieht und die Vorfreude aufs Klettern mit jedem Meter größer wird. Mit dem Auto geht es natürlich auch (Mautpflicht). Ausgangspunkt ist immer der Parkplatz an der Gramai Alm.
Von hier hat man die Qual der Wahl: Sportklettern, Alpinklettern oder bestens abgesicherte Mehrseillängenrouten absolvieren – wonach steht einem der Sinn? Das große Topo-Schild an der Gramai Alm buhlt mit dem Kletterführer in der Hand um Besucher …
Vielleicht hilft ein Ausschlusskriterium à la: Wir wollen heute auf jeden Fall oder wir wollen heute auf keinen Fall. Sollte es auf jeden Fall ein gemütlicher Klettertag sein, dann empfiehlt sich ein Besuch des Klettergartens Gramai Wasserfall. In zwei Sektoren können zehn interessante Linien geklettert werden. Vor allem an heißen Tagen ist die Kletterei am linken Sektor ein köstliches Vergnügen, denn die Routen starten am Abfluss des Gramai-Wasserfalls. Auf der Haut der Sprühnebel vom Wasser, die Füße im kühlen Nass und vor uns interessante Linien im Fels … Life is good und mit Badehose und Picknickkorb samt den Liebsten steht einem Luxus-Sommer-Urlaubstag nichts im Weg.
Arco-Flair und Dolce Vita
Fast schon karibisch präsentiert sich der Achensee bei Maurach dem Betrachter. Wenn dann noch die Kitesurfer mit ihren bunten Schirmen übers Wasser jagen, weht einem ein Hauch von Italien um die Nase. Dazu ein Eis in der Hand oder ein Glas Aperol vor sich auf dem Tisch – Reiseherz, was willst du mehr?
Nun, vielleicht klettern … Kein Problem, denn der Klettergarten Bärenkopf liegt etwas oberhalb vom Mauracher Ortsteil Lärchenwiese, quasi ums Eck von Dolce Vita & Co. In 10 bis 15 Minuten ist der Zustieg bewältigt und man steht im unteren Sektor. Die Routen sind leicht, perfekt abgesichert und damit ideal für erste Vorstiegsversuche geeignet. Wer mehr will, steigt zum oberen Sektor über einen steilen Pfad im Bergwald weiter nach oben. Süß sind hier die Routennamen wie „Mars“ und „Snickers“, die Kletterei ist – je nach persönlichem Können – entweder Nascherei oder schwere Kost, aber in jedem Fall lohnend! Denn danach geht es wieder zum süßen Nichtstun an den See, mit Eis und spritzigem Weißwein und Surfer-Zuschauen und ganz viel Urlaubsstimmung …
Fjord-Ambiente mit Tiefblick: Klettern und Wandern im Rofan
Das Rofan hat mit Norwegen nicht viel gemein, muss es auch nicht, denn schließlich ist das Rofan-Gebirge für sich bereits eine Augenweide, mit seinen breiten Almböden, seinen steilen, pittoresken Berggipfeln, die wie Zinnsoldaten über Wanderer und Kletterer wachen. Aber ein bisschen Norwegenstimmung kommt dann doch fast automatisch auf, wenn man beispielsweise dem Wanderweg von der Rofan-Bergstation zur Dalfazalm folgt. Die Perspektiven, die den Achensee immer wieder wie einen Meeresarm hoch im Norden Europas erscheinen lassen, sind verblüffend.
Ach, und wer mit Kindern unterwegs ist, die jetzt den verpassten Trollen und Feen im Skandinavienurlaub hinterherweinen … Der Dalfazer und Buchauer Wasserfall bieten allerhand Möglichkeiten die nordischen Kobolde zum Leben zu erwecken …
Ansonsten hält das Rofan noch jede Menge Kletterrouten bereit, bei denen sich für fast jeden Kletteranspruch ein Projekt finden lässt. Kinder und Einsteiger kommen an Mauritzalm, Grubaplatte und Grubastiege voll auf ihre Kosten. Hingegen bietet das hoch gelegene Klobenjoch für starke Kletterer bis in den oberen 10. Grad ein wahres Projekt-Eldorado zum Tüfteln, Austesten und Durchsteigen.
Die Alpinisten unter den Kletterern geraten hingegen bei der Rotspitz ins Schwärmen: „Diese Linien, und dann noch diese Aussicht … mhhh …“
Drumherum eine hochalpine Landschaft, die sich im Sommer von ihrer schönsten Seite präsentiert: Bunte Blumen, die mit ihren leuchtenden Farben und ihrem zarten Duft betören, während die Murmeltiere mit ihren schrillen Pfiffen Familie und Freunde lautstark warnen und die Dohlen sich derweil keck ein Stück vom Käsebrot erschleichen …
Und sonst? Sonst kann man am Achensee alles machen, was man ansonsten auch im Urlaub machen würde: Schwimmen gehen, Segeln, Surfern, Tauchen, Stand-up-Paddling, Essen, Trinken, Rad fahren, Wandern, Nichtstun …
Lust bekommen auf eine Weltreise im Hosentaschenformat? Hier gibt es alle Kletterrouten im Überblick.