Auf Entdeckungsreise durch Tirol
Dieses Jahr ist Urlaub daheim angesagt. Eine gute Möglichkeit, der heimatlichen Region, dem eigenen Land jene Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient haben – oder nicht?
Wie viele von uns hatten schon große Reisepläne mit Kind, Kegel und Hund im Kopf … Im Trend lagen Norwegen mit seinen Fjorden oder auch Kanada mit seinen Nationalparks. Dauerbrenner und Everybody’s-Kletter-Darling Gardasee, samt Bar Centrale, Pizza und Pasta, stand ohnehin als Fixtermin im Kletterkalender.
Neue Blicke auf die heimatliche Umgebung
Große Urlaube in ferne Länder können dieses Jahr nicht realisiert werden. Stattdessen freuen wir uns, wenn es überhaupt möglich ist, draußen in der freien Natur klettern gehen zu können. Zeit gemeinsam mit Freunden zu gestalten, hat eine neue Qualität bekommen. Das Virus hat viel lahmgelegt, aber die Lust auf Unternehmungen draußen, auf das Klettern am Fels, die ist erhalten geblieben und stärker ausgeprägt denn je. Und so werden wir diesen Sommer unsere Heimat erkunden.
Vielleicht wird sich der eine oder andere bei diesen Erkundungstouren wundern, was es alles zu entdecken gibt, an Tälern und Touren, an Dörfern und Weilern, an Bächen und verwunschenen Seen, die genauso reizvoll sind wie so manch gehypter Hotspot in fernen Ländern. Und dann heißt es: Mit Lust und Fantasie auf Entdeckungsreise daheim gehen: Mit ein bisschen gutem Wetter und netten Mitreisenden kann daraus ein Urlaub mit Weltreise-Charme im Hosentaschenformat werden.
Ferienregion Imst – vielfältig in jeder Hinsicht
Klettermetropole, Brunnenstadt und Weinanbaugebiet – Imst hat für die unterschiedlichsten Interessen etwas zu bieten. Zudem ist Imst die Heimat der ersten Tiroler Winzerin Alexandra Flür und der vierfachen Kletterweltmeisterin Angy Eiter – Gründe genug, dem hübschen Städtchen samt Umland seine volle Aufmerksamkeit zu schenken und sich ein wenig wie in Frankreich zu fühlen.
Hand aufs Herz, die meisten kennen Imst vom Durchfahren, oder besser gesagt vom Vorbeifahren, aber hier einmal verweilen? Selten. Und genau diesen Umstand gilt es jetzt zu ändern. Denn: Wer einmal die Vorzüge der etwas verschlafen wirkenden Bezirkshauptstadt samt ihren acht Gemeinden zu schätzen gelernt hat, kommt immer wieder. Mit ein bisschen Fantasie wähnt man sich gar in einem Frankreich-Kletterurlaub – das Klettergebiet Petit Verdon in Karres und das kupierte Gelände mit den Weinstöcken in Tarrenz tragen zum frankophilen Lebensgefühl noch bei.
Anspruchsvolles Sportklettern, genussvolle Mehrseillängen
Noch mehr Argumente erwünscht? Bitte sehr: Gerade für Kletterer entpuppt sich Imst als echter Hotspot, von dem aus man quasi sternförmig grandiose Gebiete ansteuern kann, die für fast jeden Anspruch etwas bieten. Da wäre beispielsweise das Götterwandl hier befinden sich einige richtig harte Sportkletterrouten, in denen sich Angy Eiter und viele weitere Top-Kletterer gerne „spielen“. Aber auch genussreiche Mehrseillängentouren hoch über dem Tal und schattige Boulderblöcke bietet die Region Imst.
Ganz nebenbei sei noch erwähnt, dass der Bergbau das kleine Städtchen im Mittelalter reich machte, was der beeindruckende Kirchturm nach wie vor eindrücklich widerspiegelt. Außerdem hat sich die erste Winzerin Tirols in Tarrenz mit ihrem Wein einen weit über die Grenzen bekannten Namen „erkeltert“, wenn man so will. Kletterer können hier aus 17 (!) Sportklettergärten wählen – von leicht bis hart, von citynah bis zu hoch über dem Tal. Und nach dem Klettern ist vor der Weinprobe oder der Kulturtour durch die Brunnenstadt.
Brunnenstadt Imst
Gleich 20 Brunnen, viele von ihnen stammen aus dem 18. Jahrhundert, gibt es in Imst, verteilt auf Ober- und Unterstadt – allesamt Trinkwasserquellen. Sie sind liebevoll gepflegt und strahlen mit ihren kraftvollen Symbolen und Statuen eine tiefe Ruhe aus. Gerade an heißen Sommertagen ist es ein Vergnügen, von Brunnen zu Brunnen zu schlendern, dem plätschernden Wasser zu lauschen, seine Hände und Arme im Trog abzukühlen und vom frischen Quellwasser zu kosten. Fast wähnt man sich in einer der vielen französischen Kleinstädte im Hinterland der Côte d’Azur. Und wenn in Imst dann noch die Schwalben und Mauersegler mit viel Tamtam den Mücken über den Stadtdächern nachjagen und ansonsten das Leben an einem Sonntagnachmittag ohne jegliche Aufregung vorüberzieht, ja, dann ist man im Sommerurlaub angekommen.
Märchenhaftes Klettergebiet und Frankreich-Feeling
Zum Klettern eignet sich in Imst beispielsweise die Rote Wand: Ein mächtiges Felsmassiv, das mit seinen 7 Sektoren und über 150 Sportkletterrouten allerhand spannende Touren bietet. Die Rote Wand befindet sich in Karres, einer Gemeinde, die nur einen Steinwurf von Imst entfernt liegt und zu den acht „Imster Gemeinden“ zählt. Die Felswand ist südseitig ausgerichtet, weswegen man im Sommer an heißen Sonnentagen besser mit den Hühnern aufsteht und in der morgendlichen Frische seine Routen zieht. Der erste Sektor „Märchenwald“ ist vom gut ausgeschilderten Parkplatz am Ortsrand von Karres in 10 Minuten zu Fuß erreichbar.
Für Frankreich-Feeling empfiehlt sich das kleine Klettergebiet Petit Verdon – ebenfalls in Karres gelegen. Wie an der großen Schlucht muss man sich hier auch zum Klettern abseilen. Und auch hier eröffnet sich eine traumhaft schöne Landschaft mit herrlichen Aussichten auf den Inn.
Muttekopfhütte: Ein Hauch von Finale
Definitiv ein Traum-Kletterrevier eröffnet sich rund um die Muttekopfhütte auf gut 2000 Metern Höhe, die oberhalb von Imst gelegen ist. Zur Hütte geht es entweder mit der Bahn oder by fair means zu Fuß oder in Kombination als Bike- und Hike-Tour.
Je nachdem, wie man sich der „Mutte“ nähert, ist man in 30 bis 70 Minuten auf der Hüttenterrasse. Hier heißt es dann erst einmal die Aussicht würdigen, danach hat man die Qual der Wahl: Wohin zum Klettern? Wie wäre es damit: Wenn es richtig warm ist, dann startet man am Muttekopf-Klettergarten oberhalb der Hütte. Hier gibt es ab dem späten Vormittag Schatten, inklusive lauer Brise.
An nicht so heißen Tagen geht es an die Ostwand des Guggerköpfls. Für Lochkletter-Fetischisten ein Ort der Glückseligkeit! Die Routen sind vom Feinsten, vor allem wenn man den Finale-Kletterurlaub diesen Sommer wegen geschlossener Grenzen nicht antreten kann, dann kommt man hier durchaus auf seine Kosten.
Lange Sommertage sind dafür prädestiniert, die Natur, den Sport, und das Leben in vollen Zügen zu genießen. Insofern sollte man sich auf keinen Fall den Sundowner auf der Muttekopfhütte entgehen lassen: Ein Panzanella, also ein italienischer Brotsalat, und ein Glas spritziger Weißwein und schon ist er fertig, der italienische Moment in den Tiroler Bergen …
Alexandra Flür: Die erste Tiroler Winzerin
Klettertage rund um die Muttekopfhütte sind etwas Besonderes, auch die Imster Kletterweltmeisterin Angy Eiter pilgert regelmäßig hier herauf, um bei ein paar Klettertouren zu entspannen und den Kopf frei zu bekommen. Für die Weinliebhaber unter euch ist ein Besuch in Tarrenz bei der ersten Tiroler Winzerin Alexandra Flür ein schöner Abschluss eines besonderen Klettertages.
Ihre Weißweine wie Chardonnay, Müller-Thurgau und Solaris sind mittlerweile über die Tiroler Grenzen hinaus bekannt und bei Weinkennern geschätzt. Die blonde Weinbäuerin erzählt ihre Geschichte genauso spritzig und süffig, wie ihre Weine im Glas sind. Die Jause zur Weinverkostung ist ein Gedicht. Neugierig auf die Geschichte? So viel sei verraten: Die gelernte Friseurin Alexandra Flür hat an den Weinbau in Tirol geglaubt, ein Rebstock auf dem Bauernhof brachte die Idee ins Rollen.
Mittlerweile ist die Tirolerin Vollblut-Winzerin und Sommelière – Letzteres vor allem wegen der vielen Skeptiker, die es nach wie vor gibt … Ach ja, ihre Haarfarbe hatte ihr zu Beginn des Weinbauprojekts in die Karten gespielt: Sie konnte machen, was sie wollte, es dachten ohnehin alle: Was will eine blonde Tiroler Friseurin im Weinbau? Als Antwort schenkt sie, mit einem verschmitzten Lächeln, ihre erstklassigen Weißweine in die Gläser. Alexandra Flür hat nicht nur ihre Familie vom Weinbau überzeugt, sondern ihre Heimatgemeinde Tarrenz, die ebenfalls zu Imst gehört, zu einem Hotspot des Nordtiroler Weinbaus gemacht – und Flür expandiert.
Knappenwelt in Tarrenz
Wen wegen der alkoholischen Genüsse im Flürschen Weinkeller das schlechte Gewissen plagt, der kann vorher in Tarrenz an der Knappenwelt kurze und knackige Routen ziehen. Sieben an der Zahl gibt es dort, mit 12 Metern sind sie eher kurz, dafür durchaus anspruchsvoll. Neben einigen Projekten geht es bei 6c+ los und endet mit einer 7b. Danach braucht’s unbedingt ein Speckbrot samt einem Glaserl.
Bergbau, Bleiglanz und der höchste Kirchturm Tirols
Imst zählte im 14. und 15. Jahrhundert zu den Bergbaumetropolen. Vor allem nach Blei wurde gesucht und das Gestein mithilfe der Feuersetz-Methode abgetragen – dabei ist unter anderem die „Blaue Grotte“ entstanden. Sie befindet sich am Anfang der Rosengartenschlucht. Bei der Schlucht handelt es sich um einen Canyon in der Stadt und von hier fällt das Wasser in vielen Abschnitten pompös hinunter nach Imst-Stadt. Der Weg am Wasser ist vor allem an heißen Sommertagen ein angenehmer Spaziergang mit vielen schönen Aussichtspunkten, unter anderem auf den höchste Kirchturm Tirols – der als Zeichen des Wohlstandes und der Frömmigkeit im Mittelalter errichtet wurde.
Chillen, Bouldern und eine Sage
Wer sich einen ganz gemütlichen Tag machen möchte, dem sei das Kletter- und Bouldergebiet Reithle empfohlen. Tief im Wald verstreut liegen die Felsbrocken zum Bouldern und Klettern, dazwischen laden Lichtungen zu einem kleinen Nickerchen oder Picknick ein.
Das Gebiet kann bequem über den sogenannten Opferstockweg von der Obermarkter Alm aus erreicht werden. Der Wegname hat sich, ganz nebenbei erwähnt, aus einer Legende entwickelt: Auf dem Weg liegt nämlich der recht bedrohlich wirkende Felsblock Sprisselstein. Seit jeher fürchten die Imster, der Block könnte vornüberkippen und sich einen zerstörerischen Weg ins Tal bahnen. Um dies zu verhindern, wird am Marterl nebenan ein Stoßgebet gen Himmel geschickt und der Block zusätzlich mit kleinen Zweigen vor dem Hinunterkippen bewahrt.