Samuel Mathis beim Fingertraining mit flachen Fingern | Climbers Paradise
Samuel Mathis beim Fingertraining mit flachen Fingern

Fingerboard – 7 Tipps für das richtige Fingertraining

Hallo Hobbykletterer, Wettkampfathleten, Boulderboys und -girls, Mutlipitchfans und Sporthocker – hallo ALLE Kletterer! Jeder hat seine Gründe, warum er klettert. Du vielleicht aus Spaß, er auf der Jagd nach einer Olympiamedaille und sie wegen der frischen Luft. Aber es liegt in der Natur der (Kletter-)Sache, dass jeder auf seine Weise irgendwie an seine Grenzen geht – mental oder körperlich. Sei es aus Angst oder aus Erschöpfung: Wir wollen uns immer länger festhalten, als wir es manchmal einfach können. Und wie kommen wir unserem Ziel, immer länger durchzuhalten, näher?

Eigentlich kennt man die Antwort schon, denn zum Festhalten braucht man vor allem das: einen Unterarm, der im angespannten Zustand eher wie ein schwangeres Seepferdchen aussieht – und Fingerschmalz. Ersteres wird oft durch Letzteres bedingt, und von Letzterem kann man eigentlich nie genug haben – oder habt ihr schon mal jemanden sagen hören: „Den Griff kann ich nicht halten, der ist zu groß!“? Genau! Und deshalb wollen wir euch hier ein paar grundlegende Tipps zum Fingertraining geben und die verschiedenen Stufen des richtigen Trainings besprechen:

1. Grundsätzliches zum Fingertraining

Ein Fingertraining ist eine enorme Belastung für die Sehnen und Bänder. Verletzungen geschehen während des Kletterns genauso schnell wie während des Trainings. Deshalb hört auf euren Körper: Wenn es irgendwo wehtut – lieber gleich das Training beenden. Eine einzelne Session, die mal nicht so gut ist, ist weit weniger schlimm, als ein halbes Jahr Beschwerden zu haben.

Aufgrund der Intensität des Trainings muss man gut aufgewärmt sein. D.h. man hat bereits ein paar schwere Züge gemacht und ist für die nachfolgende Belastung aktiviert.

Das Fingertraining steht am Beginn der Trainingseinheit – nicht am Ende.

2. Die Grundhaltung beim Fingertraining

Die Finger sollten sich in einem aktiven Zustand an der Leiste halten und zwar auf zwei Arten: Einmal aktiv aufgestellt (half-crimp) und einmal hängend. Wichtig ist, dass man hier abwechselt und beide Haltearten trainiert, da man ansonsten mit Dysbalancen rechnen muss!

Samuel Mathis beim Fingertraining mit aufgestellten Fingern | Climbers Paradise
Samuel Mathis beim Fingertraining mit aufgestellten Fingern

Samuel Mathis beim Fingertraining mit flachen Fingern | Climbers Paradise
Samuel Mathis beim Fingertraining mit flachen Fingern

Empfohlen werden etwa zwei bis drei Einheiten aufgestellt und dann dieselbe Anzahl an Einheiten hängend. Damit sich der Körper an die Belastung anpassen kann und ein optimaler Trainingseffekt erzielt werden kann, sollte man nicht innerhalb zu kurzen Abständen wechseln.

Das Fingerboard kann auch durch passende Griffe in der Halle ersetzt werden. Das hat zudem den Vorteil, dass man anstelle von Leisten auch Aufleger ins Training integrieren kann.

Zudem sollte man den Blick nicht nur auf die richtige Position der Finger richten. Von den Schultern wird auch einiges an Arbeit abverlangt. Diese müssen eine vorangespannte Grundposition halten können! Das heißt: Wer nicht hängen kann, während er/sie die Schultern nach hinten unten zieht, muss sich vom Fingerboardtraining vorerst fernhalten.

Die Haltung beim Fingertraining | Climbers Paradise
Aktive Schulterhaltung beim Hängetraining

3. Wichtiger Hinweis zum Fingertraining

Fingertraining ist nichts, was man als aktive Regeneration einfach so mal einbaut. Wer denkt, an einem Pausetag ein bisschen Fingerboard zu trainieren sei sinnvoll, der irrt. Je nach Intensität muss man danach vielleicht sogar einen Pausetag einlegen, zumindest aber die Intensität des darauffolgenden Klettertages an das Fingertraining anpassen.

Dabei gilt: Maximalkraft vor Kraftausdauer / Kraftaufbautraining vor Ausdauertraining. Verabschiedet euch am besten gleich von dem Gedanken, dass es sinnvoll ist, vorermüdeten Fingern am Hangboard nochmal so richtig den Rest zu geben.  In dem Fall ein ganz klares: Nope, stop it!!!

Pausen während des Fingertrainings

Pausen zwischen den Belastungen sind das Um und Auf beim Fingerboarden. Haltet diese also strikt ein. Manche Leute machen bei langen Pausen gerne was für ihre Körperspannung, andere halten sich gediegen. Ihr müsst selbst herausfinden, was ihr intensitätsmäßig packt.

4. Richtige Trainingsplanung ist ein Muss

Das Fingertraining kann ganze Trainingseinheiten ersetzen: Es ist sogar möglich, eine ganze Trainingssession Aufbau am Fingerbrett zu machen. Das setzt natürlich voraus, dass die Trainingseinheit richtig geplant ist. Deshalb nun hier die wichtigsten Trainingsparameter für eure Zielerreichung.

Grundsätzlich gilt, dass die Intensität (Haltezeit) so zu wählen ist, dass ihr als grobe Richtschnur danach eigentlich von den Griffen abfallen solltet.

Für mehr Fingerschmalz

Patrick von Brül im Lands of Giants im Ötztal, Foto: Dominik Hadwiger | Climbers Paradise
Patrick von Brül im Lands of Giants im Ötztal, Foto: Dominik Hadwiger

Wer seinen Fingermax trainieren will, wählt kurze Haltezeiten an kleinen Griffen. Wem das zu leicht ist, hängt sich Zusatzgewichte an den Körper.

Haltezeit WH WH-Pausen Serienpausen Serien-WH
5 bis 7
Sekunden
3-5 1-2 Minuten 10-20 Minuten 3-5

Fingerkraft-Aufbau

Für mehr Haltezeit

Haltezeit WH WH-Pausen Serienpausen Serien-WH
12-15
Sekunden
6-8 2 Minuten 10-20 Minuten 3-5

Fingerkraft-Ausdauer

Patrick Gassner im Lands of Giants im Ötztal, Foto: Dominik Hadwiger | Climbers Paradise
Patrick Gassner im Lands of Giants im Ötztal, Foto: Dominik Hadwiger

Diese Methode zeichnet sich durch lange Haltezeiten aus und dementsprechend müssen auch die Leisten groß genug sein.

Haltezeit WH WH-Pausen Serienpausen Serien-WH
30
Sekunden
10 1 – 2 20 Minuten 3
1-2 Minuten 10   – 1

5. Wie kann man nun eigentlich hängen?

Variieren kann man beispielsweise:

  • aktives Hängen an allen Fingern ohne Daumen;
  • Griffe (mal Leisten, mal Aufleger bzw. hängend und aufgestellt);
  • den Armbeugewinkel;
  • mit nur zwei oder drei Fingern hängen, die Fingerpaare müssen gewechselt werden.

6. Geheimtipp der Redaktion

Einarmige Deadhangs: Einarmiges Hängen an größeren Leisten ist eher was für bereits fortgeschrittene Kletterer. Wer mit den Übungen beginnt, kann bzw. muss ggf. sogar mit einem Seil unterstützen. Dabei gelten die gleichen Trainingsreize wie oben beschrieben, doch gehören einarmige Deadhangs durch und durch dem Maximaltraining an. Ihr werdet selbst sehen, dass diese Übung euch maximal fordern wird. Deshalb gebt euch ausreichend Pausen zwischen den Wiederholungen und übertreibt es nicht.

Haltezeit WH WH-Pausen Serienpausen Serien-WH
5 bis 7
Sekunden
3-5 3-4 Minuten 10 Minuten 2-3

Einarmiges Hängen ist maximal anstrengend, aber auch maximal gewinnbringend!

Gut, wenn wir nun fleißig trainiert haben, geht es an die Umsetzungsphase.

7. Zwei Gebiete, in denen ihr eure Fingerpower beweisen könnt

Wir haben euch zwei Gebiete im Ötztal herausgesucht, wo ihr die verschiedenen Trainingsformen anwenden könnt:

Maximal-Power braucht ihr im Lands of Giants

Guntram Jörg im Land of Giants im Ötztal, Foto: Dominik Hadwiger | Climbers Paradise
Guntram Jörg im Land of Giants im Ötztal, Foto: Dominik Hadwiger

Kleine Leisten, steile Dächer und scharfen Fels findet ihr im Lands of Giants. Euren Fingermax stellt ihr hier (mit ausreichend Körperspannung) gekonnt unter Beweis. Mittlerweile ist das Gebiet zu einem Hotspot im Boulderland Tirol geworden und dank Guidebook findet man alle Boulder problemlos. Den Führer könnt ihr in den Steinblock-Boulderhallen Imst oder Rankweil kaufen.

Leisten-Ausdauer in Niederthai

Niederthai, Foto: Tirol Werbung, Johannes Mair | Climbers Paradise
Niederthai, Foto: Tirol Werbung, Johannes Mair

Länger festhalten muss man sich in Ötztals Kletterperle Niederthai. Das Coole hier: Egal, ob ich mich in meinem Fingertraining auf kurze Boulderrouten vorbereitet habe, oder ob ich lange Haltezeiten gewählt habe – hier findet man alles von acht Meter kurzen Maximalkrafttouren bis zu 35 Meter langen, leistigen Kinglines. Aufgrund der unterschiedlichen Ausrichtungen kann man hier fast das ganze Jahr über klettern.

Topos findet ihr auch im aktuellen Tiroler Sportkletterführer von Michael Meisl.