Der 40-jährige Tiroler Bergführer-Ausbildner Benedikt Purner kann mittlerweile auf 25 Jahre Eisklettererfahrung zurückblicken. Er berichtet im Interview von dieser für viele doch eher ungewöhnlichen Sportart, auf was es dabei ankommt und was Anfänger beachten sollten.
Climbers Paradise: „Hi Benni, kannst du uns deine Leidenschaft Eisklettern ein wenig näher bringen, was fasziniert dich daran?”
Benni Purner: „Die Faszination Eisklettern beschreibt das Fortbewegen auf einem sich ständig verändernden, vergänglichen Material. Die Materie Eis ist den ganzen Winter über nie gleich und fasziniert mich immer wieder aufs Neue durch bizarre Formen, Farben und Stimmungen. Es ist kalt, spröde und surreal, doch trotzdem kann man durch geschickten Umgang mit dem Eis einmalige Eindrücke erleben. Spätestens im nächsten Frühjahr ist jedoch alles wieder weg …
Beim Eisklettern hat man zwei große, spitze Eispickel in den Händen, mit denen man allerdings sehr filigran arbeiten muss. Dieser Gegensatz hat mir persönlich bei der Sportart eigentlich immer gut gefallen. Durch meine Handwerksaffinität fand ich mich mit den Eiskletter-Tools von Anfang an gut zurecht.
Das richtige Handling mit den Tools und die beste Nutzung der vorgegebenen natürlichen Eisstruktur fasziniert mich schon immer beim Eisklettern.”
„Würdest du Eiskletteranfängern mit Felsklettererfahrung empfehlen, zunächst einen Kurs im Eisklettern zu absolvieren, bevor sie eigenständig loslegen?”
„Ein Anfänger, der sich nach Absolvieren eines Kurses im Eis kletternd fortbewegen kann und an die Materie herangeführt wurde, ist für mich noch kein eigenständiger Eiskletterer. Ein zwei- oder dreitägiger Kurs ist trotzdem sinnvoll, da man hier zunächst den Umgang mit Pickel und Steigeisen erlernt, was man beim Felsklettern ja nicht benötigt.
Außerdem gibt es gewisse Eisklettergärten mit bereits eingebauten Standplätzen, die vor allem für AnfängerInnen attraktiv sind.
Ein/e selbstständig kletternde/r EisklettererIn (eigene Tourenplanung, eigenes Setzen der Sicherungen, etc.) benötigt allerdings jahrelange Erfahrung. Selbstständiges Eisklettern ist deshalb für mich nicht anfängerkompatibel.”
„Du bildest BerführerInnen aus, leitest du auch Gruppen beim Eisklettern?”
„Zeitweise biete ich Kurse im Bereich Eisklettern an. InteressentInnen können mich gerne via E-mail kontaktieren, wenn Motivation zu einem geleiteten Heranführen an die Sportart besteht.”
„Welche Tipps kannst du AnfängerInnen geben?”
„Zuerst sollten die relevanten Bewegungsabläufe ohne Material automatisiert werden. Erst danach kommen die Tools ins Spiel. Die Schärfe der Pickel und Steigeisen ist auch extrem wichtig, da ohne sie bis zu 80% des Potentials verloren gehen kann. Geschliffenes Material spart also Kraft und bringt Sicherheit. Materialkunde stellt für mich einen wichtigen Punkt eines Anfängerkurses dar.”
„Welche Ausrüstung benötigt man zum Eisklettern und mit welchen Kosten kann man rechnen?”
„Der Einstieg in den Eisklettersport ist sehr kostenintensiv. Für die Pickel, das Steigeisenset plus Helm und einen speziellen Gurt ist man schonmal circa 800 Euro los. Dazu kommen noch die eher kostspieligen Eisschrauben (je circa 60 Euro), von denen man Minimum 12 Stück besitzen sollte. Außerdem benötigt man natürlich Seile und Tools zum Standbauen. Steigeisenfeste Bergschuhe, sowie robuste, doch leichte Winterbekleidung sind ebenfalls essentiell.”
„Welche Gefahren bringt das Eisklettern mit sich? Wie und wo passieren die meisten Unfälle? Hast du Tipps, um Gefahren zu vermeiden?”
„Die Gefahren beim Eisklettern sind vielseitig. Lawinen, die Lage des Einzugsgebietes sowie Eisschlag stellen zum Beispiel Gefahrenquellen dar, die vor der Tour bestmöglich eingeschätzt werden müssen. Sowohl im steilen Zustiegsgelände, als auch in der Tour selbst gibt es Gefahren- und Fehlerquellen, deren Unterschätzung oft folgenschwer sein können. Temperaturschwankungen stellen die elementarste Gefahr beim Eisklettern dar. Die optimale Temperatur zum Eisklettern liegt bei circa 0 bis -10 Grad. Ist es kälter, wird das Eis sehr spröde und brüchig. Ist die Verbindung zwischen Eis und Fels bei zu hohen Temperaturen nicht mehr gewährleistet, besteht die Gefahr, dass das Eis kollabiert.
Durch zu viele KletterInnen im Wasserfall steigt ebenfalls die Gefahr von Eisschlag. Da die Anzahl der kletterbaren Spots im Winter heutzutage eher überschaubar ist, sind häufig zu viele Seilschaften unterwegs, die ein erhöhtes Risiko mit sich bringen.”
„Welche Gebiete zählen zu deinen Lieblingsgebieten in Tirol und welche Gebiete würdest du AnfängerInnen empfehlen?”
„Das Pinnistal (Stubaier Seitental) bietet neben Rodelstrecken und schönen Aufstiegsmöglichkeiten mit den Tourenski eine große Auswahl an Eisklettertouren. Außerdem befindet sich dort auch eine urige, bewirtschaftete Almhütte.
Auch das Pitztal und Ötztal bieten einige schöne Eisklettermöglichkeiten. AnfängerInnen, die bereits einen Kurs im Eisklettern absolviert haben, würde ich das Sellrain empfehlen. Die Touren dort sind circa 2-3 Seillängen lang und für Neulinge mit ein wenig Backgroundwissen empfehlenswert. Diese Touren können, wenn man mag, auch nur bis zum ersten Stand geklettert werden.
Der Eispark Osttirol bietet übrigens einen Eiskletterpark in der Natur, bei dem Felsen durch Bachumleitungen künstlich bewässert werden, auch dies ist eine top location. Hier ist für jede Könnerstufe etwas dabei, ohne einen weiten Zustieg auf sich nehmen zu müssen.
Eis-Testivals sind für AnfängerInnen und auch Fortgeschrittene eine gute Möglichkeit, Material kostenfrei auszuprobieren. Ich finde das persönlich super, weil man nicht direkt so viel Geld ausgeben muss, sondern erst einmal reinschnuppern kann.”
„Wir bedanken uns für deine Infos und wünschen dir einen eisreichen Winter!”