Erste Hilfe im Klettergarten. Foto: Lara Novak

8 Szenarien: Erste Hilfe im Klettergarten

Als Kletterer:innen wissen wir, dass wir uns regelmäßig und bewusst einer gewissen Gefahr aussetzen. Leider kann ein Unfall schneller passieren, als man denkt. In solchen Momenten heißt es dann schnell und richtig zu handeln. Deshalb gehört zu einer guten Tourenvorbereitung nicht nur das richtige Equipment, sondern auch das Üben von Notfallsituationen. Dieser Blogartikel ersetzt natürlich keinen Erste-Hilfe Kurs. Wir wollen euch aber eine kurze Übersicht und ein paar Tricks zur Ersten Hilfe bei den häufigsten Kletterverletzungen geben.


Eine gut durchdachte Notfallausrüstung sollte auf jeden Fall immer dabei sein. Der Österreichische Alpenverein hat in Zusammenarbeit mit der Begrettung ein Erste-Hilfe-Packerl (SAB First Aid Kid) erstellt, das genau auf die Ansprüche von Bergsportler:innen angepasst ist. In dem kleinen, leichten und wasserdichten Täschchen findet man alles, was man im Notfall benötigt:

  • Emergency Bandage
  • 2x Steri-Strips zur Versorgung klaffender Wunden
  • Rettungsdecke
  • Beatmungstuch
  • Einmalhandschuhe
  • Wundpflaster
  • Sterile Wundauflage
  • Alkoholtupfer zur Desinfektion
  • Leukotape
  • Zusätzlich empfehlen wir eine zweite Rettungsdecke, Traubenzucker und einen Biwaksack

1. Sicherheit + Alpiner Notruf

Ist ein Unfall passiert, heißt es erstmal durchatmen und sich einen schnellen Überblick über die Situation zu machen:

  • Was genau ist passiert?
  • Ist die Unfallstelle sicher genug, um mich der verletzten Person anzunähern?
  • Brauche ich professionelle Hilfe?

Ist wirklich professionelle Hilfe nötig, sollte so bald wie möglich ein Notruf abgesetzt werden. Im alpinen Gelände ist das aber oft gar nicht so einfach. Hat man mit dem eigenen Netzanbieter guten Empfang, sollte man die Nummer der Bergrettung (140) oder der Rettung (144) wählen. In Tirol, Südtirol und Bayern ist die SOS Eu Alp APP ein tolles Hilfsmittel. Mit nur einem Klick kann man einen Notruf absetzen – dabei wird der genaue Standort automatisch an die Rettungsleitstelle übermittelt. Hat man keinen Empfang, kann man es mit dem Euro-Notruf (112) probieren. Ab iPhone 14 besteht die Möglichkeit, einen Notruf via Satelliten abzusetzen.

NOTRUF
Eigennetz Fremdnetz Kein Empfang
SOS EU Alp App 112 EU-Notruf Laut um Hilfe rufen
Bergrettung 140 Satellitennotruf ab iPhone 14
Rettung 144 SOS-Morsecode

(3x kurz – 3x lang – 3x kurz

2. Wärmeerhalt

Der Wärmeerhalt und das Verhindern einer Unterkühlung von verletzten Personen ist gerade im alpinen Setting entscheidend. Zum einen kostet das Kältezittern den Körper wertvolle Energie. Zum anderen hemmt eine Unterkühlung die körpereigene Gerinnungskaskade, das Blut wird sozusagen „dünner“ – besonders bei Verletzungen kann dies eine große Rolle im weiteren Verlauf spielen!

Mittel der Wahl ist die Rettungsdecke. Sie soll über der untersten Bekleidungsschicht angebracht werden. Da über den Kopf viel Wärme verloren gehen kann, sollte dieser unbedingt miteingepackt werden:

  1. Rettungsdecke aus der Verpackung nehmen und am Rücken entlang über der untersten Bekleidungsschicht ausbreiten.
  2. Rettungsdecke über den Kopf ziehen und gut verknoten.
  3. Am Rumpf möglichst groß ausbreiten
  4. Das Ende der Rettungsdecke zwischen den Beinen durchführen und von oben in den Hosenbund stopfen.
  5. Kälte kostet Energie! Zucker und warme Getränke zuführen.

3. Druckverband

Blutet eine Person zB. nach einem Sturz aus einer Wunde stark, muss diese mit einem Druckverband versorgt werden, um einen lebensbedrohlich großen Blutverlust zu verhindern. Dafür werden eine Wundauflage, ein Druckkörper (zB. Mullbinde, Packung Taschentücher…) und eine Bandage oder ein Dreieckstuch benötigt.

Das Multitalent Emergency-Bandage vereint all diese Komponenten in einem Tool und ist deshalb perfekt fürs Erste Hilfe-Set am Berg.

  1. Die Wundauflage wird fest auf die stark blutende Wunde gedrückt. Dabei soll sich das Piktogramm mit der Anleitung direkt über der Wunde befinden.
  2. Die Bandage wird einmal fest um den Arm gewickelt und durch den Plastikdruckkörper gefädelt.
  3. Unter Zug wird die Wickelrichtung geändert, sodass der Druckkörper umschlägt. So wird Druck auf die Wunde appliziert.
  4. Die Bandage wird fertig um die Wunde gewickelt und mit der eingenähten Plastikspange am Ende fixiert.

Blutet die Person durch den Druckverband durch, darf dieser auf keinen Fall geöffnet werden, um ihn fester anzulegen. Stattdessen sollte ein zweiter Druckverband direkt darüber angelegt werden. Zur Unterstützung des Kreislaufs nach großem Blutverlust können die Beine der verletzten Person hochgelagert werden. Beim Warten auf professionelle Hilfe nicht auf den Wärmeerhalt vergessen!

4. Kopfverletzung

Durch Steinschlag oder einen Sturz auf den Kopf kann eine Kopfplatzwunde entstehen. Mithilfe der Emergency-Bandage kann man recht einfach einen Verband anlegen, der nicht verrutscht und die Wunde vor Verschmutzung schützt. Ist die Wunde stark verunreinigt, kann sie vorher mit sauberem Leitungswasser aus der Flasche ausgespült werden.

  1. Person mit aufrechtem Oberkörper lagern.
  2. Wundauflage der Emergency Bandage direkt über der Wunde platzieren und Bandage locker um den Kopf wickeln.
  3. Ist man beim Plastikdruckkörper angelangt, wird dieser als Umlenker verwendet und der Verband wird mit einer Schlaufe ums Kinn fixiert.
  4. Wieder beim Druckkörper angelangt wird die Bandage erneut umgelenkt und der Verband fertig um den Kopf gewickelt. Am Ende wird er mit der Plastikspange fixiert.

Obwohl der Helm einen unverzichtbaren Schutz bietet, kann es durch eine starke Krafteinwirkung zusätzlich zu einer äußeren Wunde auch zu einem Schädel-Hirn-Trauma kommen. Typische Anzeichen sind Schwindel, Übelkeit mit Erbrechen sowie eine zunehmende Bewusstseinstrübung. Treten diese Symptome auf, muss unbedingt ein Notruf abgesetzt werden. Ist die verletzte Person noch bei Bewusstsein, wird sie mit erhöhtem Oberkörper gelagert. Dadurch wird der Hirndruck bei eventuellen Blutungen reduziert. Trübt die Person ein oder ist nicht mehr ansprechbar, wird sie nach einer Überprüfung der Atmung sofort in die stabile Seitenlage gebracht. So wird der Atemweg freigehalten und ein Verschlucken von etwaigem Erbrochenen oder Blut verhindert.

  1. Person auf den Rücken drehen und den Arm auf der zugewandten Seite in 90 Grad abwinkeln.
  2. Mit dem Knie und dem Arm der Gegenüberliegenden Seite wird ein Dreieck gebildet und daran die Person zu sich auf die Seite gedreht.
  3. Der Kopf wird überstreckt, der Mund sollte dabei den tiefsten Punkt bilden.
  4. Auf Wärmeerhalt achten, immer beim Kopf der Person bleiben und regelmäßig die Atmung kontrollieren.

5. Schulter/Armverletzung

Ob im Abstieg ausgerutscht, beim Bouldern hart gelandet oder bei einem Sturz ins Seil gegen die Wand geprallt – eine Armverletzung kann sehr schmerzhaft sein. Mit einer provisorischen Schienung kann man den Arm ruhigstellen – hier ist besonders im alpinen Setting oft Kreativität gefragt. Für eine Ruhigstellung des Handgelenks eignet sich zum Beispiel eine topografische Karte aus festem Material.

  1. Karte zu einer Mulde formen und den Verletzen Arm vorsichtig darin ablegen.
  2. Mit einer Mullbinde oder der Emergency-Bandage die Karte locker am Arm fixieren

Befindet sich eine Wunde über dem vermuteten Bruch oder spießt der Knochen sogar durch die Haut, muss dies mit einer sterilen Wundauflage abgedeckt werden.

Bei Arm- oder Schulterverletzungen nimmt die betroffene Person oft von selbst eine Schonhaltung ein. Mit der Emergency Bandage kann ein stabiles Armtragetuch gebunden werden, das die Schulter bzw. den Arm entlastet und die Person in der Schonhaltung unterstützt.

  1. Verletzen Arm durch die Schlaufe vor der Wundauflage legen.
  2. Die Bandage unter Zug über die unverletzte Schulter legen und am Rücken entlang wieder zum verletzten Arm führen.
  3. Den verletzten Arm am Ellenbogen umschlingen und Bandage unter der unverletzten Schulter durchziehen
  4. Bandage über die verletzte Schulter ziehen und über die Brust wieder durch die unverletzte Achsel fädeln. Dabei den verletzten Arm gut umschlingen.
  5. Am Ende die Bandage mit der Plastikspange fixieren.

6. Halswirbelsäule / Wirbelsäulen-Verletzung

Bei einem Sturz auf den Kopf oder Rücken zB. beim Bouldern kann die (Hals-)wirbelsäule verletzt werden. Anzeichen für instabile Wirbelsäulenverletzungen sind Schmerzen entlang der Wirbelsäule, motorische Ausfälle sowie Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Armen oder Beinen. Hier darf die Person so wenig wie möglich bewegt werden und ein Notruf sollte unverzüglich abgesetzt werden.

Bei Verdacht auf eine Halswirbelsäulenverletzung kann der Kopf der Person mit den Händen stabilisiert werden. Beim Warten auf die professionelle Rettung sollte die Person möglichst vor Auskühlung geschützt werden. Die Person kann mit Jacken sowie der Rettungsdecke wirbelsäulenschonend zugedeckt werden.

7. Knöchelverletzung, Transport mit Rettungsdecke

Bei Knöchel- oder Knieverletzungen ist ein Absteigen oft nicht mehr möglich. Ein längerer Abstieg über schwieriges Gelände ist meistens nicht mehr sinnvoll und professionelle Hilfe sollte angefordert werden. Über kürzere Strecken (zB. vom Klettergarten zum Auto) kann die Person mithilfe der extrem zugfesten Rettungsdecke jedoch am Rücken einer Helferin oder eines Helfers transportiert werden.

  1. Mit einem Weberknoten werden jeweils zwei Rettungsdecken zu gleich großen Ringen verknotet.
  2. Die verletzte Person steigt mit einem Bein durch einen Ring und wird von der helfenden Person wie ein Rucksack geschultert.

Achtung: Gerade bei großem Gewichts- oder Größenunterschied ist diese Transportmethode nicht zu empfehlen. Auch für längere Transportwege im schwierigen Gelände ist sie nicht geeignet. Außerdem kann die Rettungsdecke bei Kontakt mit spitzen Kanten (Steine, Äste…) einreißen.

Um einer starken Schwellung vorzubeugen und die Schmerzen ein bisschen zu lindern, kann mithilfe eines Einmalhandschuhs ein provisorisches Cool-Pack gebastelt werden. Dazu einfach Schnee oder kaltes Wasser in den Handschuh füllen und diesen zuknoten.

Der verletzte Fuß sollte zusätzlich hochgelagert werden.

8. Fingerverletzung

Ca. 65% der Kletterverletzungen betreffen die Hand oder Finger. Besonders die Ringbandverletzung ist bei allen Kletterer:innen gefürchtet. Mithilfe der Buddy-Taping Technik kann man einen verletzten Finger schnell behelfsmäßig entlasten:

  1. Leukotape einmal etwas oberhalb des Grundgelenks um den verletzten Finger wickeln
  2. Den benachbarten Finger zur Schienung und Unterstützung mit dem verletzten Finger verbinden
  3. Überhalb des Mittelgelenks das Tape um den unterstützenden Finger wickeln und wiederum mit dem verletzten Finger zusammentapen
Tapen bei Fingerverletzung. Foto: Lara Novak
Tapen bei Fingerverletzung. Foto: Lara Novak

Wichtig ist, dass man das Tape nicht zu fest anbringt, um die Durchblutung nicht zu beeinträchtigen. Kühlen und Hochlagern des Fingers kann einer Schwellung vorbeugen.

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Text & Fotos: Lara Novak