durch Luka Lindič und Ines Papert am 26./27.11.2020
Die beeindruckende Sagwand-Nordwand im Valsertal in Tirol übt seit jeher eine unglaubliche Faszination auf Alpinisten aus. So auch für Luka Lindič und Ines Papert, die sich am 26. November 2020 aufmachen, die Nordwand bei winterlichen Bedingungen auf einer völlig neuen Route zu erklimmen.
Ein Bericht von Ines Papert.
Details
Sagwandspitze 3.227 m, Nordwand 800 m
Österreich/Tirol/Valsertal
Bewertung: AI 6, M6
Material:
- 1 Satz Camalots Gr. 0.1- 2, ein weiterer Satz Camalots 0.3 – 0.75
- Eisschrauben
- Normalhaken
- Klemmkeile
- Biwakausrüstung
Faszination Sagwand
Seit jener ersten Winterbegehung des „Schiefen Risses“ an den steilen Abbrüchen der Sagwand von David Lama, Hans Jörg Auer und Peter Ortner in 2013, ist der Berg ein ambitioniertes Ziel erfahrener Alpinisten. Auch uns, Luka Lindič und Ines Papert, blieb dieser Ort seither als mögliches Ziel für neue Routen in Erinnerung. Doch die Verhältnisse dafür findet man nur sehr selten. Dieser Herbst versprach gute Bedingungen mit moderaten Schneemengen und kletterbarem alpinem Eis in der Höhe.
Spätestens seit der Erstbegehung durch Martin Feistl und Sven Brand „24 hours of Freedom“ früher im November diesen Jahres wurden unsere Vermutungen bestätigt.
Wir entschlossen uns kurzfristig für eine Erkundungstour nach Tirol. Als erste alpine Route der Saison wählten wir jedoch eine Begehung am Nachbarberg Weißspitze im Hochferner Massiv über den Nordpfeiler, 900 m.
Es erschien uns logisch, die aktuellen Verhältnisse in der Höhe kennenzulernen, nachdem es 20 cm Neuschnee in den Tagen zuvor gegeben hatte und wir beide über keine lokalen Kenntnisse im Gepäck verfügten.
Ester Blick auf die Sagwand-Nordwand
Während des Aufstieges am 25. November 2020 zur Geraer Hütte konnten wir die Sagwand erstmals mit eigenen Augen und bei Tageslicht sehen. Begeistert von der unglaublichen Ästhetik der Wand, stellten wir uns sofort die Frage, ob die jungfräuliche zentrale Linie durch den höchsten Teil der Nordwand möglich sei. Das Eis schien dünn im unteren Bereich der Wand. Eine neue Route ist immer ein Abenteuer und du wirst erst eine Antwort finden, wenn du es probierst.
Tag 1 in der Wand
Mit der Dämmerung stieg Luka in die ersten Meter der Wand ein. Schnell einigten wir uns auf den Vorstieg von jeweils zwei Seillängen, um dann erst zu wechseln. Das Eis war dünn, aber es fanden sich immer wieder feine Risspuren zum Absichern, die aber meist vom Eis befreit werden mussten.
Runout`s wurden langsam zur Gewohnheit, umso präziser mussten wir am dünnen Eis klettern, um uns keinen Fehler zu leisten.
Tag 2 in der Wand
Ab der Stelle, wo wir unser Biwak errichtet hatten, teilt unsere Route drei Seillängen mit dem alpinen Klassiker „Mittelpfeiler“ und der einzigsten Spur in der gesamten Wand, einem rostigen Normalhaken im Mixed Gelände, der beweist, das hier schon vor uns Kletterer waren. Noch ein paar Meter sind im Tiefschnee zu spuren, um dann über den letzten Aufschwung im Fels aus der Wand zu steigen.
Kurz vor Mittag steigen wir der Sonne entgegen und sind total glücklich mit unserem Ergebnis. Eine weitere Kingline an der Sagwand hat ihre erste Begehung und noch während wir uns an den unbekannten Abstieg über ein steiles südseitiges Couloir machen, denken wir über einen zeitgemässen Routenname nach.
Neuer Name für eine neue Route
„Limited in Freedom“ – als Alpinisten lieben wir die Freiheit, unser Leben und unsere Begehungen absolut uneingeschränkt gestalten zu können. Die momentanen Reiseeinschränkungen um Covid 19 machen es uns nicht einfach und konfrontieren uns täglich mit den möglichen Konsequenzen. Jede Freiheit hat ihren Preis. Um das letzte bisschen Freiheit zu finden, braucht es ein wenig Kreativität und Mut. Unsere Alpen bieten genügend Spielraum, in denen noch viele Abenteuer schlummern.