Zwei anspruchsvolle Klettersteige, ein Tourentag, 1500 Höhenmeter im Auf- und Abstieg und rund 8 Stunden Gehzeit – die Ehrwalder Klettersteigrunde ist ein echtes Highlight.
Vom Tal auf den Gipfel des Voderen Tajakopfes, ohne Seilbahnunterstützung dafür mit zwei grandiosen Klettersteigen – das ist eine besondere Herausforderung. Nicht nur was die Gehzeit (8 bis 10 Stunden) und die Höhendifferenz (1500 Höhenmeter) angeht, sondern weil mit dem Seeben-Klettersteig und dem Klettersteig Tajakante zwei anspruchsvolle Eisenwege auch die Nerven kitzeln und die Armmuskulatur ordentlich aufpumpen. Die Tagestour sollte nur bei besten Wetterverhältnissen und ausreichend Berg- und Klettererfahrung in Angriff genommen werden. Stimmen aber die Voraussetzungen, erlebt man an diesem Tourentag traumhafte Aus- und Tiefblicke auf zwei der wohl schönsten Gebirgsseen der Alpen und kann sich vom Gipfelglück überwältigen lassen.
1. Etappe: Seeben-Klettersteig
Von der Talstation der Ehrwalder Almbahn folgen wir den Wegweisern zum Wasserfall-Rundweg und zum Seeben-Klettersteig. Zunächst mäßig, später etwas steiler geht es durch einen herrlichen Wald und entlang des plätschernden Wassers Richtung Seebenwasserfall und damit zum Einstieg des gleichnamigen Klettersteigs. Nach ca. 45 Minuten hat man den Wandfuß erreicht und kann in etwas Abstand zum Fels Gurt, Helm und Klettersteig-Set anziehen.
Der erste Abschnitt ist mit „D“ eingestuft, sprich: schwierig. Wer hier bereits größere Probleme hat, sollte lieber wieder umdrehen. Ansonsten heißt es für die kommenden 1,5 Stunden Füße präzise an die Wand setzen, Druck aufbauen und sich kraftvoll nach oben ziehen. Der Steig ist sehr sportlich, mit einigen kurzen „E“-Passagen, also sehr anspruchsvoll. Die Armmuskeln werden ordentlich gefordert.
Oben angekommen präsentiert sich die Landschaft dem Kletterer dann vollkommen konträr. Die steilen Felsen sind quasi Geschichte, dafür beruhigt ein herrlicher Almboden mit saftig grünen Wiesen den Atem und die etwas aufgewühlten Nerven. Kuhglocken tun ihr Übriges dazu. Die Seebenalm würde für ein zweites Frühstück locken – lieber weitergehen, es sind von insgesamt 1500 Höhenmetern gerade mal 250 geschafft.
2. Etappe: vom Seebensee zum Einstieg Tajakante
Von der Seebenalm geht es zunächst auf einem breiten Forstweg in moderater Steigung zum Seebensee. Sein Anblick: prachtvoll, vor allem wenn sich im grün funkelnden Wasser die Berggipfel spiegeln und weiter oben die Coburger Hütte ins Blickfeld rückt. Wir marschieren quasi auf der Seepromenade weiter und biegen bei der Materialhütte links ab Richtung Klettersteig Tajakante. Der Weg wird steiler und führt über Schotter auf 1850 Meter Höhe zum Wandfuß. Nochmal eine Essens- und Trinkpause schadet nicht, denn die nächsten 600 Höhenmeter geht es immer an der Kante kletternd Richtung Gipfel.
Die Passagen wechseln von Gehgelände zu steilen Aufschwüngen samt einer luftigen Querung. Die Ausblicke auf den Seebensee und später auch auf den Drachensee bei der Coburger Hütte entlohnen für jede Mühe und die brennenden Armmuskeln. Auf dem Weg gibt es immer wieder gute Möglichkeiten, das Panorama gebührend zu bestaunen und fotografisch für die Lieben zu Hause festzuhalten. Wer auf den Gipfel verzichten möchte, weil die Kräfte schwinden, folgt dem Pfeil „Notausstieg“, alle anderen stehen nach weiteren 20 Minuten auf dem Gipfel des Vorderen Tajakopfes (2.450 m) und genießen das Bergpanorama auf Zugspitze, Daniel, Sonnenspitze, Grünstein und viele weitere markante Gipfel.
3. Etappe: Der lange Weg zurück
Vom Gipfel oder dem Notausstieg geht es Richtung Süden zum Drachensee und zur Coburger Hütte. Die erste Stunde im Abstieg ist steil und verlangt noch einmal volle Konzentration. Hat man diese Passage geschafft, steht man bald auf weichen Almwiesen und die Schafe begrüßen die Kletterer mit einem dumpfen „Mäh“. Jetzt lockt entweder der Drachensee zur Erfrischung oder die Hüttenterrasse der Coburger – oder beides. Der Abstieg über den Seebensee zur gleichnamigen Alm und Richtung Ehrwald ist einfach, und so kann man in aller Ruhe im Schlendergang die vielen Erlebnisse des Tages Revue passieren lassen.
Tipp:
Bequeme Kletterschuhe, wie sie die Autorin getragen hat, haben bei den vielen plattigen Passagen sehr gut funktioniert und die Nerven beruhigt.