E-Bike und Alpinklettern passt so stimmig zusammen wie der Honig auf das Butterbrot. Warum weit gehen, wenn man auch fahren kann? Ein Erfahrungsbericht von der zahmeren Seite des Wilden Kaisers.
Verschenken wollen wir natürlich keinen einzigen Höhenmeter. Alles, was mit dem Elektromotor gemacht werden kann, das wird auch gemacht, wenn schon, denn schon. Wir nehmen also auch die letzten Meter noch mit, treten in die Pedale, holpert ganz schön am Schluss. Aber dann sind wir da, stehen unter der urigen Wegscheid-Hochalm und parken unsere Radeln.
Mit dem e-Bike sind wir unten in Scheffau gestartet, führen zuerst an der barocken Dorfkirche vorbei, an urigen Bauernhöfen, dann am Jägerwirt. Sind eingetaucht in einen schönen, schattigen Wald, fuhren freudig spritzend durch den Wegscheidbach, weiter zur gleichnamigen Alm. Und das Ganze, wichtiges Detail, ohne übermäßig zu schwitzen. So macht man das nämlich als Kletterer von Heute, da sind Gurt, Seil und Patsch‘n nicht mehr genug. Es braucht, um mitreden zu können, ein Radl. Und zwar im besten Falle eines mit Motor, denn man ist ja nicht blöd und will sich die Kraft für die Wand aufsparen. Und Oberschenkel wie Baumstämme, das mag was für die Trailrunner und Skibergsteiger sein, die Kletterer von Heute sparen Gewicht in Form von Muskelmasse und auch deshalb: Motor.
Eine neue Form des Kletterns
E-Bike & climb, das ist mittlerweile so ein Ding, auf climbers-paradise.com gibt es mittlerweile sogar eine eigene Landingpage dazu. Lässt sich ideal kombinieren, mühsame, lange An- und vor allem Abstiege spielerisch meistern, Spaß statt Quälerei. Weiter geht’s, ab der Alm mit ehrlicher Muskelarbeit, hinauf Richtung Fels. In ehrlichen 30 Minuten werden wir bereits am Wandfuß stehen.
Unser Ziel ist die Multerkarwand am Treffauer im Westkaiser. Zugegeben, im Vergleich zu den großen Namen wie der Mauk, dem Fleischbankpfeiler oder der Totenkirchl Westwand ist die Multerkarwand … nun ja, ein ziemlicher No-Name. Aber wir wollen heute auch nicht die heroischen Routen von Buhl, Dülfer & Co wiederholen, wir wollen einfach nur nett klettern. An schönen Platten, wasserzerfressenen Rillen, guten Griffen. Und an soliden Bohrhaken – die man in den klassischen Routen im Kaiser meist vergeblich sucht.
Und das ist genau das wunderbare an der Wunderwelt des Wilden Kaisers: Es ist alles da, für jeden Geschmack und für jede Könnerstufe. Wir wählen heute Prädikat Plaisir, den Genuss, und wärmen uns an traumhaften Wasserrillen im Klettergarten Multerkarwand auf. Die ersten Meter müssen wir noch etwas putzen, die Lawinen haben über den Winter ein bisschen Gras und Steine am Fels hinterlassen. Also den „Putzteufel“ (7-) klettern, da folgt technische Kletterei vom Feinsten, wie auch in der „God und Gede“ (7/7+).
Sind die Finger erstmal warm, kann man hier auch direkt in eine der kurzen Mehrseillängen einsteigen, in „Das letzte Einhorn“ (7/7+) oder „Schee & Schwaar“ (7/A0) zum Beispiel. Da weiß man dann schon, was man bekommt, nomen est omen. Im Hintergrund immer die imposanten Wände der Kopfkraxen und das Sonneck, zu denen es von hier auch nicht mehr so weit ist. Große Ziele für lange Tage draußen.
Besser rollen als hatschen
Wir klettern einfach, so lange wir Lust haben, und seilen dann wieder bequem zum Wandfuß ab. Gönnen uns eine Jause, lassen den Blick über das ganze Tal schweifen, vom Großvenediger bis zu den Tuxer Alpen. Sehen ganz unten das kleine Dorfkirchlein und wissen: Wir müssen nicht bis ganz hinunter hatschen, wir dürfen rollen.
Und der Rückweg muss ja nicht zwingend der gleiche sein, denn zurück an den Bikes bleibt noch ein wenig Tageszeit übrig und wir beschließen, hinüber zur urigen Kaiseralm zu radeln. Zu Fuß hätten wir das wohl nach den ganzen Seillängen nicht mehr gemacht. Aber Brettljause, Grammlschmalzbrot und – natürlich – ein Radler machen den Tag gleich noch um eine Nuance besser, als er eh schon ist. Und weil die Sonne immer noch scheint und der Umweg nicht groß ist, entschließen wir uns sogar noch für einen Abstecher zum Hintersteiner See, liegt ja fast am Weg. Wenn dann die geschundenen Füße im kühlen Nass des Bergsees abkühlen, denkt man sich: Ein Hoch auf das e-Bike. Wie konnten wir nur jemals ohne Klettern gehen?
Infos: E-Bike & Climb am Treffauer, Wilder Kaiser
- An den schönen Wasserrillen im Klettergarten Multerkarwand lässt sich das Feeling für die größeren Kaiserwände schulen. Mit E-Bike auch als Halbtagesaktion möglich, Sonne ab ca. Mittag in der Wand. Das Tragen eines Helms wird auch im Klettergarten empfohlen, oftmals sind Gämsen über den Routen unterwegs.
- Auch die Mehrseillängen sind sehr gut mit Bohrhaken abgesichert und zum Abseilen eingerichtet (Doppelseil).
- Routen & Topos hier
- Zustieg: Von Scheffau (öffentlicher Parkplatz unweit der Kirche) über das Gasthaus Jägerwirt bis zum Ende des Forstwegs unterhalb der Wegscheid-Hochalm. Von hier zu Fuß weiter, zuletzt über ein steiles Schotterfeld zum Wandfuß (ca. 30 min). Genaue Beschreibung & GPX Track hier.