So langsam steuern die Sommerferien ihrem Ende zu und Wehmut macht sich breit. Wehmut nach einer Leichtigkeit, die es nur im Sommer gibt, wenn die Sonne unsere Haut küsst und wir barfuß durchs Gras laufen können. Wehmut nach langen Klettertagen in den Bergen, wo man, ohne auf die Uhr schauen und die einbrechende Dunkelheit fürchten zu müssen, noch eine weitere Route ausprobieren kann. Aber: Schluss jetzt mit Trübsal blasen, noch ist sie nicht vorbei, die schönste Jahreszeit. Genießen wir den beginnenden Spätsommer in den Bergen und feiern ein grandioses Finale mit Freunden und Familie beim Klettern, zelebrieren wir das Hüttenfeeling und saugen das Panorama auf. Kann man nicht genug davon bekommen – wer weiß, wie der Winter wird …
Coburger Hütte: zwei Seen, viele Klettermöglichkeiten, unendlich schöne Ausblicke
Zugegeben, ein Geheimtipp ist die DAV-Hütte oberhalb von Ehrwald in der Tiroler Zugspitz Arena nicht. An schönen Tagen pilgern viele Tagestouristen zur Coburger Hütte, um einmal selbst und live die viel gepriesene Postkartenidylle zu erleben. Und auch ich möchte das Naturjuwel einmal besuchen und finde schon den Zustieg zur Hütte atemberaubend schön: Während man rund um die Bergstation der Ehrwalder Almbahn noch über sanfte Almböden kommt, auf denen das Vieh die letzten Tage in grenzenloser Freiheit genießt, schieben sich allmählich mächtige Felswände in den Blickwinkel, die zum Greifen nah erscheinen und für eine beeindruckende Kulisse sorgen. Mittendrin: der hübsche Seebensee. Sein Wasser funkelt karibisch grün und macht auch den schnellsten Aufsteiger zum langsamen Bewunderer. Man streift fast automatisch seinen Rucksack ab, um Platz zu nehmen. Man hält die Füße ins kühle Nass und genießt den Bergkessel drumherum, der wie eine schützende Bastion über Wasser, Wanderer und Enten wacht. Eine Idylle, die nur durch fröhliches Vogelgeschnatter unterbrochen wird, weil ansonsten ist es erstaunlich ruhig hier, trotz der vielen Menschen … Der See strahlt eine Ruhe aus, die sich, so scheint es, auf seine Betrachter überträgt.
Hat man diesen Anblick ausgiebig genossen, geht es rasch in steilen Kehren durch Latschen auf den Sattel und damit zur Coburger Hütte auf gut 1900 Metern.
Nach einem kurzen Rückblick Richtung Zugspitze und Seebensee folgen die Augen an der Hütte vorbei einem grünen Schimmern. Und wenige Schritte weiter eröffnet sich der Blick auf den etwas unterhalb der Hütte liegenden Drachensee. Smaragdgrün liegt er schwer und ruhig in seinem Steinbett. Zur einen Seite locken grüne Wiesen zum Badespaß, zur anderen Seite ist das Gelände felsiger und die Linien gehen stufenweise in große Felswände über.
Und da ist sie, die Postkartenidylle: kitschig, romantisch und absolut berauschend für die Sinne. Ich bin mir sicher, dass bei diesen Aussichten so ziemlich alle Gäste erst einmal an der Hütte vorbeizischen samt Tunnel- oder besser gesagt „Seeblick“. Man muss sich erst einmal an diesem Panorama eine angemessene Zeit sattsehen, um sich dann so trivialen Dingen wie Hütteneinkehr etc. widmen zu können …
Wir haben jetzt diesen Punkt erreicht und gehen mit beseeltem Blick in die Hütte, bestellen wahllos und stehen wenig später vollbeladen wieder vor der Hüttentür. Die Liegestühle an der Aussichtskanzel sind noch frei – wir lassen uns fallen, bauen Essen und Getränke um uns herum auf, um nur ja nicht mehr aufstehen zu müssen, zumindest für eine kleine Weile. Denn Zeit haben wir: Die Wettervorhersage hat unsere eigentlichen Kletterpläne für heute durchkreuzt. Wir haben die Prognosen wieder und wieder gecheckt und wägen nun in unseren Liegen noch einmal ab. Letztlich ist das Gewitterrisiko zu groß für eine lange Alpintour, wir bleiben liegen, auch wenn die Sonne gerade noch ganz unschuldig vom Himmel strahlt. Stattdessen beobachten wir, wie sich die ersten Hüttengäste mit Badesachen auf den Weg zum See machen. Und keine 30 Minuten später hört man es auch schon laut quietschen. Das Wasser ist verlockend, aber nichts für Warmduscher, und so muss man sich beeilen, will man die Badegäste beim Schwimmen verfolgen, weil mehr als ein paar Züge sind nicht drin …
Ein bisschen klettern wollen wir trotz allem, haben wir doch unser Equipment hier heraufgetragen und ein bisschen juckt es ja auch in den Fingern beim Anblick der atemberaubend schönen Felslinien. Wir kundschaften den Hüttenklettergarten aus, der liegt nur 10 Minuten von der Hütte entfernt. Aus unserer Sicht die perfekte Wahl für den heutigen Tag. Wir bringen unsere leeren Becher und Teller zurück und starten zum Genussklettern.
Hüttenklettergarten Coburger Hütte
Der Zustieg ist unschwer und gut zu finden, die Routen sind optimal abgesichert und die Schwierigkeiten gering. Klar, nix für Hardmover und sicherlich auch nichts für Softrocker, die sich sonst am liebsten im siebten Grad aufhalten, aber für uns an diesem Tag ein ideales Ziel. Und ganz nebenbei ein Traum für alle Einsteiger – egal ob Groß oder Klein –, die sich an das Klettern im Fels samt Vorstiegssituation gewöhnen möchten: unschwere Kletterei in feinstem Wettersteinkalk mit vielen Löchern und Leisten. Nicht zu hoch, sodass man immer in Kontakt mit seinem Sicherer bleibt, und zudem sehr anfängerfreundlich gebohrt. Am Wandfuß steht auch der Kletterpartner bequem und kann, wenn es die Situation erlaubt, einen grandiosen Blick auf den tiefgrün schimmernden Drachensee erhaschen oder auf die Zugspitze, da sind die Blickachsen offen. Um einen herum fliegen die Dohlen und schauen neugierig beim Klettern zu. Von unten kommen ab und an ein paar Schafe vorbei, die sich aber schnell langweilen und weiter ihrer Wege ziehen – wohin auch immer … Ein herrliches Vergnügen, wenn man beispielsweise mit Kindern unterwegs ist oder anderntags zu einer alpinen Route aufbrechen und die Zeit bis zum Abendessen auf der Hütte nicht ausschließlich im Liegestuhl verbringen möchte.
Ein Blick in den Himmel sagt uns, die Wettervorhersage war korrekt: Schwarze Wolken türmen sich auf. Wir müssen zusammenpacken und den Abstieg ins Tal antreten, wenn wir trocken bleiben wollen. Wir haben die richtige Entscheidung getroffen, hatten dennoch einen traumhaften Bergtag und planen beim Abstieg schon den nächsten Besuch in der Tiroler Zugspitz Arena. Weil, zumindest laut den Meteorologen, ein „Hoch“ folgen soll, praktisch Kaiserwetter in der Tiroler Zugspitz Arena.
Über die Seebenwände zur gleichnamigen Alm und auf die Coburger Hütte
Ein paar Tage später wölbt sich dann auch schon früh morgens der blaue Himmel über uns und die Schwalben starten zu einem ersten Formationsflug in galaktischen Höhen. Wir sind wieder bei der Talstation der Ehrwalder Alm, nur lassen wir die Bahn diesmal links liegen und folgen stattdessen den Wegweisern zum Wasserfall-Rundweg Richtung Klettersteig. Die Rede ist vom Seebensee-Wasserfall, der von der Bahn aus gut sichtbar ist und mit seiner Energie und den tosenden Wassermassen alle Blicke magisch auf sich zieht. Unser Plan für den Tag: Eine leichte Mehrseillängenroute an den Seebenwänden klettern und zur gleichnamigen Alm aufsteigen. Von dort zu Fuß auf die Coburger Hütte aufsteigen, um hier zu übernachten und am nächsten Tag eine der schönen Alpinrouten zu klettern. Viele davon wurden von Christoph Hainz eingebohrt und versprechen grandiose Linien. Aber wieder zurück zur Tagesaktion:
Wir haben in gut 30 Minuten den Wandfuß der Seebenwände von der Talstation der Ehrwalder Almbahn aus erreicht. Der Seebensee-Wasserfall wirkt wie eine natürliche Klimaanlage und bald rauschen die Ohren. Seilkommandos sind hier nicht möglich, wir gehen noch einmal die nonverbale Kommunikation durch, dann starten wir in den „Latschentango“. Die 7-Seillängen-Tour macht ihrem Namen jede Ehre, wartet aber neben dem einen und anderen Latschentanz mit vielen herausragend schönen Klettermetern auf. Ein Traum mit viel alpinem Flair!
Wir steigen über die Kante aus und befinden uns quasi auf der Terrasse der Seebenalm. Ein kühles Getränk und eine süße Köstlichkeit später geht es weiter zur Coburger Hütte, um von dort aus am nächsten Tag eine Alpinroute zu klettern.
Wir folgen dem uns schon bekannten Weg und auch heute verzaubert wieder der Seebensee als Etappenziel mit seiner Schönheit. Ein Entenpaar watschelt ohne Scheu zu den Parkbankgästen – könnte ja sein, dass ein Brotkrümel runterfällt … (was nicht passieren sollte, weil Schilder ausdrücklich das Füttern verbieten). Wieder steigen wir weiter zur Coburger Hütte auf und erleben beim zweiten Mal ganz neue Eindrücke. Wir genießen mit dem Wissen, was kommt, noch einmal intensiver die Landschaft mit ihren steil aufragenden Felswänden, den grünen Almwiesen und der bunten Blumenpracht. Oben angekommen folgen wir schon fast einem Ritual: Getränke und Essen holen, Liegestuhl entern, alles aufbauen und dann genießen. Drachensee gucken, Schafe schauen und das süße Nichtstun schamlos auskosten – Sommerfinale eben. Am nächsten Tag war leider das Wetter schlecht, egal. Aufstieg und Postkartenidylle gehen auch noch ein drittes und viertes Mal.
Übernachten:
Coburger Hütte: Wer zu den Alpinrouten starten möchte oder einfach ein traumhaftes Hüttenwochenende verbringen will, der muss auf der Coburger Hütte übernachten. Für die späten Abendstunden eine warme Jacke einpacken, dann kann man ohne zu frösteln die Natur mit ihrem Farbenspiel genießen. Frühzeitig reservieren!
Ehrwald: Beschaulich, bäuerlich, beeindruckend, so könnte man das Dorf mit drei Worten beschreiben. Ehrwald hat sich trotz Tourismus viel Ursprünglichkeit erhalten. Die schmucken Höfe sind eine Augenweide, aber nicht extra herausgeputzt, sondern vor Jahrhunderten entstanden. Besonders viel Mühe geben sich die Ehrwalder am Herz-Jesu-Tag Ende Juni. Bei gutem Wetter ist hier ein wahres Bergfeuer-Schauspiel zu bestaunen.
Klettermöglichkeiten:
Neben der Coburger Hütte ist die Region Tiroler Zugspitz Arena ein Klettereldorado. Sportklettern, Mehrseillängen und alpine Klassiker. Hier ist ganz großes Kino geboten.