Welcher Betrieb in Österreich kann schon von sich behaupten, 95 Prozent aller Produkte vor Ort zu produzieren? Der Familienbetrieb AustriAlpin in Fulpmes führt eine lange metallverarbeitende Tradition im Tiroler Stubaital fort und steht für höchste Qualität am Sektor Klettersport. Stephan Mitter hat Geschäftsführerin Katrin Mark-Winkler zu einem Gespräch gebeten, um mehr über die Geschichte und Philosophie von AustriAlpin zu erfahren.
Interview: Stephan Mitter, Text: Christina Schwann
Katrin Mark-Winkler ist Pitztalerin durch und durch. Auch wenn sie in Innsbruck geboren wurde und die ersten beiden Jahre ihres Lebens am Haimingerberg wohnte, ist doch das Pitztal ihre Heimat. Kein Wunder also, dass Katrin Mark-Winkler auch am liebsten im Oberland unterwegs ist. Bereits mit 16 Jahren war sie hauptsächlich mit ihrem Bruder in den Bergen, vor allem in alpinen Routen; am liebsten hochalpin in Tirol und bald auch in den Schweizer Bergen.
In der Zwischenzeit hat Katrin Mark-Winkler Sportwissenschaften studiert und ist Mutter zweier Kinder. Im Tiroler Oberland mit seinem kompakten Fels ist sie aber immer noch gern unterwegs: Der Affenhimmel ist praktisch ihr Haus- und Hofgebiet, in dem sie groß geworden ist. Hier fällt ihr auch die Arbeit von Climbers Paradise besonders deutlich auf, vor allem was die Hakenabstände nach der Sanierung (siehe Interview Florian Falkner) betrifft.
„Meine Psyche ist total verweichlicht“,
sagt sie heute. Früher habe sie das Risiko gar nicht gesehen, weil sie es nie anders gekannt habe.
Auch im Gebiet der Steinsee- oder Muttekopfhütte sei durch die Arbeit von Climbers Paradise die Zugänglichkeit viel besser geworden. „Früher musste man tief in der Szene drinnen sein, um überhaupt etwas zu erfragen. Heute gehe ich auf die Seite von Climbers Paradise und suche mir ein neues Gebiet im Pitztal – was als Pitztalerin wirklich schräg ist.“
Seit 2006 arbeitet Katrin Mark-Winkler für AustriAlpin – anfangs im Marketing, später als Geschäftsführerin. Rund 45 Minuten Fahrtzeit vom Pitztal nach Fulpmes im Stubaital nimmt sie gerne in Kauf, um die Hälfte der Woche in der Firma und die andere Hälfte von zu Hause aus zu arbeiten. In Summe gehören 30 bis 32 Stunden AustriAlpin, die restliche Zeit der Familie. Dass dieser Spagat auch als Managerin funktionieren kann, hat Katrin Mark-Winkler in den vergangenen Jahren bewiesen.
Wie sie zu AustriAlpin gekommen ist, was das Erfolgsgeheimnis der Firma ist und welche Rolle die Familie Hörtnagl als Eigentümer spielt, wollte Stephan Mitter genau wissen.
Stephan Mitter fragt nach
Wann bist du zum ersten Mal auf AustriAlpin aufmerksam geworden?
Ich weiß nicht mehr wann, aber wo es war: in einem Eisfall in Lüsens. Ich hatte gerade erst mit dem Eisklettern begonnen. Am 8. Dezember – am Feiertag – sind wir nach Arco gefahren und haben uns Eisgeräte gekauft. Wir waren total verrückt, sind die wildesten Sachen geklettert. An besagtem Tag in Lüsens hat mich ein anderer Kletterer angesprochen und mir seine Eisgeräte probeweise geliehen. Ich bin hinaufgeklettert und war total „geflasht“, weil die Dinger so viel besser funktionierten als meine. Ich verkaufte meine alten Geräte und kaufte mir sofort neue Geräte von AustriAlpin.
Wann und wie entstand dann der erste Kontakt mit der Firma selbst?
Da spielte mir der Zufall in die Hände: Ich war am Ende meines Studiums und über eine Freundin erfuhr ich, dass AustriAlpin jemanden sucht. Die Stelle war nicht ausgeschrieben, also bewarb ich mich blind. Das Bewerbungsgespräch mit Michael Uhrmann hat einen halben Tag gedauert, weil wir uns so gut verstanden.
Dann hat er sich allerdings drei Monate nicht bei mir gemeldet. Ich war sehr enttäuscht, denn die Chemie schien zu stimmen und es wäre mein absoluter Traumjob gewesen. Ich rief also noch einmal an, um auszurichten, dass ich mich jetzt auf den Weg machen würde, um etwas anderes zu suchen. Und da sagte mir Michael Uhrmann, dass er davon ausgeht, dass ich nächsten Monat zu arbeiten anfangen würde.
Wie viele Frauen arbeiten in der Firma?
Sehr viele. Julia, Elfi und Manuela in der Buchhaltung, Lisa und Doris im Marketing, und dann gibt’s mich und die Fatime, unsere gute Fee. Also sieben.
Der Hardware-Bereich ist generell sehr stark mit Männern besetzt, oder?
Ja, das war am Anfang auch echt schräg für mich, wobei … Eigentlich nicht so sehr für mich als eher für die anderen. Der große Vorteil war aber, dass man mich schnell gekannt hat, weil einfach weniger Frauen in der Szene tätig sind.
Wie hat sich die Firma in den letzten 25 Jahren entwickelt?
Die AustriAlpin hat sich aus der „Stubai“ entwickelt, genauer gesagt aus den Bergsportproduzenten der Stubai. 1996 wollten sie innerhalb der Stubai eine eigene Abteilung gründen, damit sie über ihr eigenes Budget entscheiden können. Die Stubai stimmte diesem Wunsch nicht zu, also stiegen die Bergsportproduzenten aus und machten sich selbstständig.
Die Anfangsjahre dürften aufgrund von Missgunst und Neid, die in so einem keinen Dorf schnell aufkeimen, sehr schwierig gewesen sein. Das Glück war wohl, dass Hans Denifl den Vertrieb übernahm und viele Händler ins Boot holen konnte. Über den Bergsport gelang es der AustriAlpin, sich mehr und mehr zu etablieren. 2002 kam Michael Uhrmann dazu, dem es schlussendlich gelang, das Ruder vollends herumzureißen. Er hat die Basis dafür gelegt, wofür die AustriAlpin heute steht.
In den vergangenen zehn Jahren ist die AustriAlpin nicht nur gewachsen, sondern steht für die Markenprodukte, die man heute kennt. Ihr seid ja nicht nur im Bergsport, sondern auch im Industrie-Bereich tätig. In welchen Dimensionen spielt sich das ab?
Die Industrie stützt den Bergsport seit vielen, vielen Jahren massiv. Wir reden von einem Verhältnis von 80:20, denn im Industriebereich geht es vor allem um Menge. Wir haben beispielsweise eine spezielle Schnalle, die Cobra-Schnalle, entwickelt, die – und das traue ich mich ohne Übertreibung zu sagen – die beste Schnalle am Markt ist. Sie kommt ursprünglich aus dem Paragleiten und geht unter Zug nicht auf. Als dann auch noch das amerikanische Militär für seine Spezialeinheiten auf die Schnalle aufmerksam wurde, boomte sie extrem. Zum Vergleich: Als ich 2006 angefangen habe, hatten wir Aufträge für 1.000 Cobras, über die wir uns sehr freuten. Heute ist das die Mindeststückzahl, um überhaupt bestellen zu können.
Gibt es darauf ein Patent?
Ja, ganz viele. Da fließt mittlerweile richtig viel Zeit und Geld hinein. Tatsächlich besteht ein Großteil unserer Aufgabe darin, Patente zu schützen und zu verteidigen.
Die Familie Hörtnagl ist Eigentümer der Firma. Wie geht es dir als Externe, obwohl du nach 14 Jahren praktisch zur Familie gehörst?
Sie lassen uns absolut freie Hand. Die Arbeitsatmosphäre ist sehr gut. Die Familie ist vor allem im Tagesgeschäft, in der Produktion tätig. Den Vertrieb überlassen sie uns, obwohl natürlich alles in enger Abstimmung passiert. Als echte Stubaier wollte die Familie nie eine Frau als Geschäftsführerin haben, prinzipiell nicht. Das war anfangs etwas schwierig, aber mittlerweile konnte ich mir mit Kompetenz und Engagement wohl ihr Vertrauen sichern.
Ihr bringt immer wieder neue Produkte auf den Markt, wie etwa den HMS Rondo Slide. Wie viel Zeit vergeht von der Idee bis zum fertigen Produkt?
Vier Jahre, wenn es gut geht. Da wir kaltverformen, sind wir vom Material und von den Ideen immer ein wenig eingeschränkt. Außerdem kann bei dieser Methode nicht alles berechnet werden und es braucht Erfahrungswerte. Jedenfalls braucht es unzählige Handgriffe, ehe ein Karabiner im Geschäft hängt. Sieht man den Karabiner nach vier Jahren das erste Mal bei jemand anderem, jemandem, dem man das Produkt nicht selbst gegeben hat, ist das immer wieder schön.
Alle Produkte sind zertifiziert, sind CE- und UIAA-geprüft. Ihr macht beide Zertifizierungen? Warum?
Ja, das ist richtig. Die UIAA ist ein wenig härter und am Bergsportmarkt etablierter. Die CE-Zertifizierung sieht gleich aus wie „China Export“. Mit den beiden Zertifizierungen wollen wir auch klar kommunizieren, dass es sich um ein österreichisches Produkt handelt. Immerhin produzieren wir 95 Prozent im Haus. Nur Bandschlingen, etwa die Schlingen für Expressen, werden zugekauft. Auch hier achten wir darauf, dass es sich um Partner handelt, die in Europa fertigen und zu denen wir Vertrauen haben.
AustriAlpin wird heuer 25 Jahre alt. Sind spezielle Events geplant?
Ja, wir hatten eine große Party geplant, die leider abgesagt werden musste. Es ist heuer mit Corona nicht einfach, ein 25-Jahr-Jubiläum entsprechend zu feiern. Das drückt ein wenig die Stimmung, weil wir tatsächlich etwas Großes vorhatten. So bleibt es ein Event nach außen, damit die Leute wissen, dass dieser österreichische Familienbetrieb heuer 25 Jahre alt wird.
Gerade das letzte Jahr hat aber auch gezeigt, wie schön Tirol ist und wie gut die Produkte sind, die wir hier in Tirol haben. Siehst du hier auch eine Veränderung?
Viele sehen gar nicht, wie gut wir es hier haben. Ich gehörte ja auch zu jenen, die nach Arco gefahren sind, um mir dort Eisgeräte zu kaufen. Die großen Player sind mit ihrem guten Image sehr präsent. Wir müssen hingegen versuchen, unsere Nische gut zu besetzen. Zu wissen, dass wir unsere Produkte vom Rohmaterial über die Entwicklung bis zur Endfertigung in Tirol herstellen, erhöht die Wertschätzung für unseren Tiroler Betrieb. Zudem kann Fulpmes auf eine lange Metallverarbeitungsgeschichte zurückblicken. Früher wurde sogar Metall in der Schlick abgebaut. Wir führen also eine Tradition fort und pflegen ein altes Handwerk.
Was muss ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin können, um bei euch ins Team zu passen?
Lachen. Wir sind unkompliziert und so sollte er oder sie auch sein. Die Chemie muss passen. Wir haben alle „Berge im Kopf“. Wenn das Wetter schön ist, muss man eventuell schnell sein mit „Ich geh dann mal“, weil wir da alle gleich ticken – egal, ob Winter oder Sommer. Die Berge sind bei uns Thema – von in der Früh bis zum Abend, selbst dann, wenn die Büroarbeit, vor allem die Patentarbeit, oft wirklich hart ist.
Ein Nicht-Bergsteiger hätte es schwer bei euch?
Nein, nicht unbedingt. Wir haben einen Mitarbeiter, der Tennis spielt. Mittlerweile geht er allerdings auch schon den einen oder anderen Klettersteig. Das heißt, jetzt haben wir ihn langsam so weit.
Das ist sicher auch eine eurer Stärken sowie auch das Zuhören, Erkennen und Umsetzen. Ich denke an Dyneema-Rebschnüre, wo ihr mittlerweile die besten am Markt erhältlichen produziert.
Wir sind sehr glücklich, wenn uns gute Ideen zugetragen werden, die auch noch umsetzbar sind. Ich gehe von mir selber aus: Wenn ich ein Produkt gern für mich hätte, dann versuchen wir es natürlich umzusetzen.
Was kommt nächstes Jahr von AustriAlpin?
Das bleibt vorerst eine große Überraschung. Aber es kommt immer etwas. Wir entwickeln an allen Ecken und Enden.