Felsklettern, wenn alle anderen auf Skitour gehen – ist das nicht kompletter Irrsinn? Wir erklären euch, warum dem nicht so ist. Und geben fünf Tipps, wie ihr auch in der eisigen Jahreszeit warme Finger bekommt.
Zugegeben, ein klein wenig felsfanatisch sollte man schon sein, um den ganzen Winter über draußen zu klettern. Aber kommt man erst mal in die richtigen mood, wird man immer wieder auch trotz Minusgraden an den Fels zurückkehren. Vorausgesetzt natürlich, man ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Aber mehr dazu später.
„It’s all about the grip, baby!“, so könnte man die Motivation für das Winterklettern wohl am besten zusammenfassen. Denn für richtig kleine Leisten und richtig winzige Tritte braucht es neben der nötigen Power eben auch die nötige Reibung. Und die Reibung, die friction, die ist am allerbesten, wenn die Temperaturen niedrig und die Luftfeuchtigkeit gering sind. Also im Winter. Deshalb werden die härtesten Projekte meist bei Bedingungen geklettert, bei denen andere lieber auf Skitour gehen oder die Rodel ziehen. Aber auch alle, die nicht im elften Schwierigkeitsgrad unterwegs sind, werden den Unterschied schnell merken: Der garstige Aufleger, von dem man im August noch ständig runtergeschmiert ist, er „hält“ plötzlich. Und der kleine Tritt, auf den man sich dann doch nie zu steigen traute, ist überhaupt kein Problem mehr. „It’s all about the grip, baby!“, und deshalb macht Klettern im Winter auch so viel Spaß! Wenn die Finger erst einmal warm sind.
5 Tipps zum Winterklettern
1. Richtig aufwärmen
Gerade im Winter ist es unumgänglich, den Körper auf die richtige Betriebstemperatur zu bringen, um Verletzungen vorzubeugen. Es empfehlen sich also Klettergebiete mit 10 bis 20 Minuten Zustieg. Am Fels ist es wichtig, erst einmal warme Finger zu bekommen und mit möglichst einfachen Routen mit großen Griffen zu starten. Prügelt man zu schnell zu kleine Leisten nieder, sind die Ringbänder rasch beleidigt. Gibt es im Gebiet keine entsprechenden Routen, empfiehlt sich ein kleines Fingerboard, um die Sehnen und Bänder richtig auf die Belastungen vorzubereiten.
2. Unten mit, oben ohne
Daunenjacke meinen wir. Es ist schon ein seltsamer Dresscode, der sich an kalten Wintertagen in sonnigen Klettergärten zeigt: Unten die Sicherer, dick eingepackt in Daunenjacke und Kappe, oben die KletterInnen im T-Shirt und Tanktop. Wie passt das zusammen? Die Antwort liegt im Mikroklima, das sich an sonnigen Felswänden bildet: Bei niedrigem Sonnenstand wie eben im Winter treffen die Strahlen beinahe senkrecht auf den Fels und heizen ihn auf. So können auch Temperaturen im einstelligen Bereich beim Klettern Sommerfeeling aufkommen lassen.
3. Schuhe unter die Jacke
Zugegeben, es kostet oft schon ein wenig Überwindung, aus Omas warmen Wollsocken raus und in die engen Kletterpatschen reinzuschlüpfen. Vor allem, wenn diese schon fast steifgefroren sind. – Es empfiehlt sich also, das Paar Schuhe nach dem Klettern nicht unachtsam auf den Boden zu legen, sondern sich unter die Daunenjacke zu stopfen. So schlüpft man vor jeder neuen Route in angenehm warme Kletterpatschen!
4. Chalkbag mit Heizung
Zwar wohl nicht ganz praxisnah, aber dennoch hin und wieder gesehen: Neben den klassischen Aufwärmübungen kann man auch mit künstlicher Wärme nachhelfen und Wärmepads verwenden. Oder ganz martialisch einen Stein (nicht zu groß, nicht zu heiß) mit dem Gaskocher erwärmen und den dann ins Chalkbag schummeln. Eine kleine Handheizung für zwischendurch, quasi!
5. Von innen warmhalten
Und natürlich – die Thermoskanne. Die ist an kühlen Wintertagen des Kletterers beste Freundin, ein warmer Schluck tut immer gut. Natürlich sollte man auch sonst die richtige Ausrüstung dabeihaben: lange Unterhose, Handschuhe zum Sichern, Buff, warme Jacke. Und vielleicht nicht die allerengsten Kletterschuhe, damit man eventuell auch noch mit Socken reinpasst.
Und wohin geht man nun in Tirol im Winter zum Klettern?
5 Tipps für sonnige Klettergärten in Tirol
1. Dschungelbuch, Martinswand
Im „Dschungelbuch“ kann man in unmittelbarer Nähe zu Innsbruck (die Wand ist von der Tiroler Landeshauptstadt sogar mit dem Fahrrad zu erreichen) meist den ganzen Winter klettern, denn die Wand befindet sich unmittelbar neben dem Inn in Tallage. Vorausgesetzt, der Himmel ist klar und es pfeift kein Wind. Wenn die Bedingungen passen, sieht man hier im Dezember noch Kletterer und Kletterinnen in kurzer Hose.
2. Affenhimmel/Starkenbach
Wie das „Dschungelbuch“ ist auch der „Affenhimmel“ ganz unten im Inntal gelegen, die Felsen sind südseitig ausgerichtet. Hier findet man auch eine große Anzahl an Routen in den unteren und mittleren Schwierigkeitsgraden, Schnee ist im Zustieg nur selten ein Problem.
3. Plangeross, Pitztal
In Plangeross gibt es eine vielsagende Route mit den Namen „Hitzeschlag im November“. Mehr muss man eigentlich nicht wissen. Außer, dass Plangeross auf knapp 2.000 Metern Höhe im Pitztal liegt. Sollte es also schon gut Schnee haben, wird der Zustieg wohl schwierig bis gefährlich werden. Aber oft kommt dieser erst irgendwann im Dezember, bis dahin: Bomben-Gneis, knalle Südseite!
4. Chinesische Mauer, Leutasch
Die „Chinesische Mauer“ liegt zwar auch etwas weiter oben, auf 1.700 Metern Höhe, ist aber südseitig ausgerichtet. Die Sonne scheint von ca. 10 bis 14:30 Uhr auf die Wand, im Mittelteil (Sektor Steinschlag) und ganz oben (Sektor Streifen) gibt es Routen, in denen auch der Sicherer in der vollen Sonne steht.
5. Schleierwasserfall, Wilder Kaiser
Ein richtiges Gebiet für Hardmover: Der große Überhang am Schleierwasserfall bildet eine Art Spiegel, in dem es sich gut sonnen lässt, es gibt aber nur wenige Routen im unteren und mittleren Schwierigkeitsbereich. Und mit einer Stunde Zustieg braucht man auch eine entsprechende Motivation!