Von Hexenkessel bis Unterwelt und von Blockromantik bis Plattenschleicher – in der wildromantischen Landschaft des Pitztals geht es klettertechnisch zur Sache.
Sommerurlaub im Pitztal? Definitiv! Denn das knapp 40 Kilometer lange südliche Seitental des Inntales hat eine ganze Menge zu bieten: Der Talbeginn, besser bekannt als äußeres Pitztal, präsentiert sich breit mit sanft geneigten Hängen und ebenso sanften Erhebungen. Die Ortschaften Arzl, Wald, Wenns und Jerzens liegen im äußeren Pitztal, wo das kupierte Gelände eine pittoreske Mittelgebirgslandschaft zeichnet. Auch das breite Hochplateau der Pillerhöhe verzaubert mit seiner hübschen Landschaft und markiert dabei die Verbindung zum Kaunertal.
Fährt man im Pitztal auf der Hauptstraße weiter taleinwärts, kommen die Berge langsam näher, das Tal wird enger und schließt sich zu einem markanten „V“. Die Gipfel sind zum Greifen nah und die Ausblicke spektakulär. Willkommen im Innerpitztal mit seiner berühmten „Wildspitze“, die genau genommen zu den Ötztaler Alpen zählt – aber, Schwamm drüber …
Das Pitztal zeigt die unterschiedlichsten Facetten und entsprechend vielfältig sind auch die Outdoor-Möglichkeiten: von gemütlichen Wanderungen bis zu alpinen Hochtouren, von Wasserfallwegen bis Sonnenbaden, nicht zu vergessen die vielen Trailrunningstrecken samt Pitztal-Gletscher-Trail-Maniak (95 Kilometer und rund 6.500 Höhenmeter!) – das Pitztal hat ein schier unerschöpfliches Angebot für Sportler. Aber das Allerwichtigste: Das Pitztal hat ein Herz für Kletterer und Boulderer. Auf ins Pitztal, dem Klettertal!
Sommerfrisch: Bouldern am Mandlers Boden
36 Grad, und es wird noch heißer, verkünden die Wetterfrösche. Also besser baden gehen? Nö, lieber bouldern! Und zwar im Gebiet „Mandlers Boden“. Die Felsblöcke liegen weit verstreut im dichten Wald, der von hübschen Lichtungen unterbrochen wird, die zum Relaxen einladen, zum Sonnenbaden oder Schlafen. Und sonst: Boulderprobleme betrachten, Lösungen erarbeiten und den herb-frischen Duft des Waldes einsaugen – herrlich.
55 Blöcke warten nur darauf, auf unterschiedlichen Linien erklettert zu werden. Die Schwierigkeiten reichen von „Hänsel“ und „Gretel“ – zwei leichten Routen an Block 22 – bis zu „Ninja Skil“, einer mit 7c bewerteten Linie an Block 54.
Und nach dem Bouldern ist vor dem Baden oder dem Lagerfeuer. Das Areal Mandlers Boden bietet ausgewiesene Feuerstellen – ideal für ein bisschen Kanadafeeling bei Stockbrot & Co. Wenn das Feuer in den Himmel züngelt, die Holzscheite knacken und die Nachtvögel langsam aktiv werden und ihre Gesänge anstimmen, ist das definitiv eine Erinnerung für Groß und Klein, von der man noch lange zehren kann.
An heißen Tagen in die Pitztaler Unterwelt „abtauchen“
Ihr seid lieber mit Seil am Felsen unterwegs? Kein Problem, wie wäre es beispielsweise mit dem Klettergarten „Unterwelt“? Tief im Wald gelegen, präsentiert sich das Areal ideal für Klettersessions an heißen Sommertagen. Die Ausrichtung passt ebenfalls: Nordost. Besser geht’s kaum. Allerdings ist die Unterwelt nichts für „Softies“, soll heißen: Die Routen sind hart bewertet und fordern ab dem ersten Zug volle Aufmerksamkeit und Muskelarbeit. Aber ansonsten ein Top-Sommer-Klettergebiet und ein bisschen „ausbouldern“ geht immer. Hauptsache, man hat einen gechillten Tag bei angenehmen Temperaturen.
Hexenkessel: für kühle Sommertage oder Frühaufsteher
Im hinteren Pitztal, besser gesagt im Innerpitztal, dort, wo die beiden Talseiten eng zusammenrücken und die Bergspitzen hoch in den Himmel ragen, befindet sich das Klettergebiet „Hexenkessel“. Der langgezogene Felsriegel liegt auf 2.000 Metern Höhe und bietet einige fantastische Kletterlinien im Gneis.
Vielleicht nicht das ideale Kletter-Einsteiger-Gebiet, und auch nur bedingt für den ersten Wechsel von der Halle an den Felsen interessant. Aber: Wer sich ab dem siebten Grad wohlfühlt und Erfahrung im Felsklettern mitbringt, der wird hier seine helle Freude haben. Ansonsten: Einen versierten Vorsteiger als Kletterpartner wählen und ebenfalls Spaß haben. Die Linien sind wirklich beeindruckend und erinnern – je nach Route und Schwierigkeit – entweder an einen athletischen Streetdance oder einen Plattenschleicher. Ein Kessel Buntes mit überraschend abwechslungsreicher Kletterei.
Kleiner Wermutstropfen: Die Wand ist südwestseitig ausgerichtet, also nichts für warme Sommertage. Umso größer ist die Freude, wenn sich der Tag wolkig und mit moderaten Temperaturen präsentiert.
Andere Möglichkeit: Mit den Hühnern aufstehen und die Kühle der ersten Stunden ausnutzen, um den Rest des Tages dann in der saftigen Blumenwiese am Wandfuß zu verbringen. Der Ausblick Richtung Pitztaler Gletscher und Kaunergrathütte ist grandios. Definitiv ein besonders idyllisches Fleckchen Erde, das es verdient hat, ausgiebig erkundet zu werden. Sprich: Decke und Jause mitnehmen und selbst zum Sammler werden, denn je nach Jahreszeit wachsen einem hier die süßen Himbeeren und die dicken Moosbeeren fast in den Mund.
Wasser marsch!
Die Kids wollen im Urlaub auf gar keinen Fall aufs Baden verzichten? Dann packt die Wasserratten ein und fahrt in die Wasserwelten Stillebach. Der Badeteich mit großer Liegewiese bietet einen Logenplatz Richtung Gletscher, wo das ewige Eis in der Sonne funkelt. Auch der Klockefall, einer der schönsten Wasserfälle des Pitztales, dessen Wassermassen sich über 150 Meter tosend in die Tiefe stürzen, lässt sich von hier wunderbar betrachten. Wer mag, liest sich in die positiven Auswirkungen des Wechselbades nach Sebastian Kneipp ein und watet durchs Kneippbecken oder probiert das Armbaden aus.
Ein Stück Hessen in Tirol: die Sektionen Mainz und Rüsselsheim
Gleich zwei hessische Alpenvereinssektionen sind im Innerpitztal vertreten, deren Hütten praktisch vis-à-vis liegen: Auf der einen Seite die 2.817 Meter hoch gelegene Kaunergrathütte der Sektion Mainz. Der Zustieg von zweieinhalb bis drei Stunden ab Talparkplatz ist äußerst abwechslungsreich. Die Umgebung der Hütte ist durch ihren hochalpinen und kargen Charakter besonders reizvoll.
Auf der anderen Talseite schiebt sich der steile Pfad zur Rüsselsheimer Hütte nach oben, praktischerweise kommt man hier am Klettergarten „Hexenkessel“ quasi vorbei. Die Hütte gehört der Sektion Rüsselsheim. Erbaut wurde sie 1926 von der Sektion Chemnitz, ab 1955 war sie in der Obhut der Rüsselsheimer und seit 1973 ist sie im Besitz der Hessen, nachdem sich die Sektion Chemnitz auflöste.
Die Rüsselsheimer Hütte mit ihrem Steinerker liegt wie ein Adlerhorst und bietet atemberaubende Ausblicke. Der gut zweistündige Aufstieg kann kleinen Laufmuffeln mit der Aussicht auf eine „Ritterburg“ samt Kaiserschmarren, Knödel & Co. „versüßt“ werden.